Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
auch sei, kommt nicht näher als bis zum Stall des Ochsen. Auf diese Weise kann das Publikum nach wie vor die Krippe mit dem Jesuskind sehen.«
»Keine Bange, Mylord, wir werden schon alles richtig machen«, versicherte ihm Secoh.
»Hervorragend!« sagte Jim. »Dann werde ich Euch jetzt wieder allein lassen.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und eilte durch den Wald davon. Bevor er jedoch wieder seinen alten Platz erreichte, fand er seinen Weg von Aragh versperrt.
»Aragh!« rief er. »Ich freue mich, Euch hier zu sehen...«
»Später werdet Ihr Euch vielleicht noch mehr freuen«, versetzte Aragh. »Die Zwillinge haben endlich all ihren Mut zusammengenommen und wollen Mnrogar angreifen. Die anderen Trolle werden mitkommen, um zuzusehen. Ihr solltet den Zweibeinern auf der Tribüne mitteilen, daß die übrigen Trolle nur Zuschauer sein werden.«
»Und sie werden jetzt sofort kommen?« fragte Jim. »Ich meine, werden sie die Aufführung unterbrechen?«
»Nein«, sagte Aragh. Er lachte sein lautloses Lachen. »Die Trolle haben auch ihren Spaß an Eurem Stück - ob Ihr es glaubt oder nicht. Sie wissen nicht, was da vorgeht, aber sie haben so etwas noch nie zuvor gesehen, und sie möchten es bis zum Ende sehen. Das heißt, alle bis auf die Zwillinge. Die könnten durchaus jederzeit beschließen, Mnrogar anzugreifen, aber ich glaube, dazu müßten sie sich noch ein wenig mehr in Kampfesstimmung bringen.«
»Danke, daß Ihr mir Bescheid gesagt habt«, erwiderte Jim. »Jetzt muß ich aber wirklich zurück. Sitzt Mnrogar immer noch an der gleichen Stelle wie vorhin?«
»Das tut er«, sagte Aragh. »Und verwirrt damit übrigens Eure Leute auf den Tribünen. Da er sich überhaupt nicht bewegt, macht er ihnen nicht solches Kopfzerbrechen, als es der Fall wäre, wenn er die ganze Zeit über auf und ab liefe. Aber wenn er sich erst bewegt, wird jedes Auge auf ihm ruhen.«
»Gut«, sagte Jim. »Ihr selbst werdet Euch auch in der Nähe halten?«
»Ich werde hier sein«, versprach Aragh, »wenn auch nur, um zu sehen, was weiter passiert.«
»In Ordnung«, sagte Jim und lief Richtung Kulisse davon.
Er blieb einen Augenblick lang hinter der Kulisse stehen, aber nicht, um durch den Spalt zu spähen. Er wartete lediglich ein oder zwei Sekunden an der Ecke der Stallmauer ab, um wieder zu Atem zu kommen, ging dann in Gedanken die Visualisierung durch, die ihn an die Stelle seines Abbilds setzen würde, und kehrte dann in den Schnee zurück, wo er zuvor gelegen hatte.
Abermals spürte er eiskalten Schnee an seiner Wange und erhob sich weit schneller als beabsichtigt.
Er reckte sich und sah Angie an. Sie stand von dem Sitzplatz auf, den er neben der Krippe für sie gemacht hatte, und sah ihn mit erleichtertem Gesichtsausdruck an.
»Ah«, sagte Jim zum Publikum, »es ist Morgen. Wie froh ich bin, das Tageslicht zu sehen. Zu denken, daß ich mich gestern nacht geängstigt habe vor dem, was da zwischen diesen Felsen und Bäumen hervorkommen könnte. Nein wirklich, jetzt, da ich all das bei hellem Licht sehe ...«
Er hatte sich dramatisch dem Wald zugewandt und wollte gerade den Arm ausstrecken, um die Drachen anzukündigen, als auf den Tribünen ein Schrei erklang.
»Trolle!« rief eine Stimme - sie klang schrill, aber ob der Sprecher ein aufgeregter Mann oder eine Frau war, ließ sich aus dieser Entfernung nicht feststellen.
»Trolle, überall um uns herum! Sie kommen, um uns zu töten!«
Die Leute auf den Tribünen erhoben sich wie ein einziger Körper, und gleichzeitig sah Jim zwischen den Bäumen hinter der Lichtung Trolle hervorströmen.
Verzweifelt suchte er in Gedanken nach irgendeinem Wort, mit dem er das Publikum hätte beruhigen können, aber in diesem Augenblick verwandelte Mnrogar sich von einer Statue in einen lebendigen Troll. Er stand abrupt auf - wie ein Riese, der plötzlich aus der Erde wächst. Die untergehende Sonne, die rot durch die Baumstämme hinter ihm schien, warf seihen schwarzen Schatten über das andere Ende der Lichtung, wo eine Schar deutlich sichtbarer Trolle davor zurückschrak und die beiden Herausforderer den Blicken der Zuschauer preisgab.
»Mnrogar!« riefen die Zwillingsstimmen in perfektem Einklang. »Jetzt komme ich, um dich zu besiegen!«
Und ebenfalls in perfektem Einklang und unter lautem Schreien stürmten die beiden über die freie Fläche dem wartenden Mnrogar entgegen.
44
Mnrogar rührte sich nicht.
Die Zwillinge schrien weiter; sie hatten die Arme hoch über
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