Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
wählte anscheinend planlos einen Weg in die Dunkelheit. Jim folgte ihm.
Eine Weile wanderten sie zwischen den Gewölben umher, schauten sich um, so weit die Beleuchtung des Binsenlichts das zuließ, aber es gab nichts zu sehen und nichts zu hören.
»So kommen wir nicht weiter.« Brian blieb schließlich stehen. »Auf diese Weise könnten wir noch eine Ewigkeit hier herumspazieren.«
Er hob die Stimme.
»Ho! Riese!« rief er. »Wenn Ihr nicht zu furchtsam seid, Euch zu zeigen, dann kommt heraus!«
Die Antwort kam so schnell, daß es Jim den Atem verschlug.
Plötzlich war das Binsenlicht in der neuen Beleuchtung so bleich, daß man es kaum noch sehen konnte. Um sie herum erstrahlten Bögen, Balken - ja sogar der Boden unter ihren Füßen - in einem fremdartigen, aber kräftigen Licht, so daß sie ungefähr zehn Meter weit in jede Richtung sehen konnten.
Aber es war gar nicht notwendig, zehn Meter weit zu sehen, um das Individuum zu erblicken, das nun vor ihnen stand. Es war keine zehn Fuß von ihnen entfernt, und seine Erscheinung war nicht von der Art, die in ihnen den Wunsch erweckt hätte, vorzutreten und es zu begrüßen, wie das vielleicht bei anderen Personen der Fall gewesen wäre.
»Bei allen Heiligen!« entfuhr es Brian. »Ein Troll. Aber größer als jeder Troll, von dem ich jemals gehört hätte! Könnt Ihr sprechen, Troll?«
»Natürlich spreche ich, Mensch!« kam die Antwort in einer rauhen, tiefen und kräftigen Stimme, die Brians Stimme wie die eines Jungen klingen ließ. »Erzählt mir, warum Ihr es wagt, hier herunterzukommen, bevor ich Euch in Stücke reiße und verspeise!«
Der Riese der Burg sah so aus, als könnte er genau das tun. Aber Carolinus hatte recht gehabt. Genaugenommen war er wirklich kein Riese. Er war mindestens einen Zoll kleiner als Jim, wenn auch größer als Brian.
Die Schultern dieses Trolls, dachte Jim, mußten mindestens genauso breit sein, wie er groß war. Das war höchst verwirrend. Die meisten Trolle, selbst die größten Nachttrolle, waren angeblich nur hundertzwanzig Pfund schwer. Dieser da sah aus, als könnte er es in puncto Körpergewicht mit einem Gorilla aufnehmen.
Hinzu kam, daß die Arme sehr lang waren. Seine übergroßen Hände baumelten bis unter die Knie herab, und beide Arme und Beine zeigten pralle Muskeln. Jim hatte schon viel von Trollen gehört, war aber noch nie zuvor einem begegnet. Der Kopf des Trolls, dem er nun gegenüberstand, faszinierte ihn. Er sah ein wenig aus wie ein übergroßer Kopf, der zusammengestaucht worden war. Er war breiter, als ein menschlicher Kopf sein konnte, die Nase groß, die Nasenlöcher weit; die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren von einer dunklen Farbe, die Jim in diesem Licht nicht genau auszumachen vermochte. Der Mund war ungewöhnlich breit mit einem mächtigen Unterkiefer darunter. In diesem Augenblick waren die Lippen zurückgezogen, so daß sie scharfe, spitze Zähne entblößten, um die ein Säbelzahntiger den Troll beneidet hätte.
Auf den ersten Blick hatte Jim geglaubt, der Troll sei mit einem eng anliegenden Anzug aus gegerbtem Leder bekleidet. Jetzt wurde ihm klar, daß es sich um die Haut des Trolls handelte. Er trug nichts außer einem kurzen und schmutzigen Kilt um die Taille, auf dem schwarze Reihen von einzelnen Strichen grob eingeritzt waren, als hätte jemand von höchst geringer Erfahrung dort mit Hilfe von Kerben über die eine oder andere Sache Buch geführt.
»So wisset denn, Troll«, sagte Brian, »daß der Edelmann hier neben mir Sir James Eckert ist, Baron de Malencontri et Riveroak und Magier. Er bringt Euch einen Befehl von seinem Meister der Magie, keinem Geringeren als Carolinus selbst. Denkt darüber nach. Seid Ihr in den liefen dieser Burg so von der Welt abgeschieden, daß Ihr noch nie von Carolinus gehört hättet?«
»Natürlich habe ich von Carolinus gehört!« knurrte der Troll. »Der Wolf hat mir von ihm erzählt. Ich werde Euch zeigen, was ich von Carolinus halte. Ich werde Euch beide verspeisen und ihm Eure Knochen hinaufschicken!«
Ein tiefes Knurren formte sich in der Dunkelheit jenseits des beleuchteten Bereichs. Es kam näher und tönte immer voller und tiefer und schien in den Steinen selbst widerzuhallen.
Sie alle wandten sich der Quelle dieses Knurrens zu.
»Vielleicht überlegt Ihr Euch das noch einmal, Troll!« sagte eine gleichermaßen rauhe Stimme, die vielleicht eine Spur heller war, und Aragh trat ins Licht. Er hatte die Ohren aufgestellt, der
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