Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
Aragh niemals töten können.«
Er trat einen Schritt von dem Troll zurück, so daß Jim ihn nicht mehr sehen konnte.
»Mnrogar«, sagte Jim, »ich werde Euch jetzt freilassen, damit Ihr Euch wieder bewegen könnt. Aber vergeßt nicht, daß niemand hier irgendeinen Groll gegen Euch hegt. Und selbst wenn einer von uns das täte, könntet Ihr ihm nichts anhaben. Eure Kraft ist nichts gegen meine Magie. Vergeßt das nicht. Und vergeßt auch nicht die Nachricht, die ich Euch von Carolinus bringe. Ihr werdet die Burg in den nächsten zwei Wochen nicht wieder erbeben lassen, ganz gleich, wie Ihr das anstellt!«
Er wartete einen Augenblick, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Ihr könnt Euch jetzt wieder bewegen«, sagte er dann.
Mnrogar bewegte sich, aber nicht auf einen von ihnen zu. Mit einem wilden Heulen streckte er die Arme aus und schlang jeden um eine Steinsäule. Dann warf er sein ganzes Gewicht abwechselnd gegen die eine und andere Säule, immer hin und her, und alles um sie herum erzitterte.
»Still!« blaffte Jim ihn an.
Mnrogar stand plötzlich wie angewurzelt da, und das Beben verebbte. Jim hörte, wie sein Atem rauh ging in der plötzlichen Stille. Aber sonst hörte er nichts; weder Aragh noch Brian gaben einen Laut von sich. Er brauchte einen Augenblick, um den jähen, grundlosen Ärger zu bezähmen, der angesichts des unvermittelten Ungehorsams des gewaltigen Trolls in ihm aufgestiegen war.
»Mnrogar«, sagte er schließlich mit einigermaßen ruhiger Stimme, »ich könnte Euch in diesem Zustand belassen, so daß ihr stehen bleiben müßtet, solange Euer Körper Euch trägt. Vielleicht könntet Ihr für alle Zeit so stehen bleiben - ich habe keine Ahnung, ob Ihr sterben würdet, bevor Euer Körper fiele oder nicht. Aber ich werde Euch nicht so zurücklassen. Ich werde es nicht Um, weil ich nicht bin wie Ihr, der Ihr solche Dinge ohne Grund tut, nur um anderen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Also, ich gebe Euch jetzt noch eine Chance. Aber diesmal rate ich Euch, nichts zu tun, was mich zwingt, Euch abermals aufhalten zu müssen. Denn wenn das der Fall sein sollte, werde ich Euch nie wieder freilassen.«
Er wartete kurz ab, damit der Troll den Sinn seiner Worte begreifen konnte. Dann erhob er abermals die Stimme.
»Ihr könnt Euch wieder bewegen«, sagte er.
Mnrogar bewegte sich. Er warf den Kopf zurück und heulte, ein Heulen, das von den Steinbögen um sie herum widerhallte. Sein Gesicht war zu einem Ausdruck furchtbaren Kummers verzerrt. Er öffnete den mit Fangzähnen bewehrten Mund und heulte wie ein gequältes Her.
»Ohne Grund?« rief er. »Aber sie gehört mir! Es ist meine Burg, es sind meine Ländereien! Kein anderer Troll soll sie haben!«
Er warf sich der Länge nach hin und begann, sich den Kopf auf die Erde zu schlagen, und das mit einer solchen Wucht, daß es ihm eigentlich den Kopf vom Leib hätte reißen müssen.
»Gott steh uns bei!« sagte Brian neben Jim mit gedämpfter Stimme. »Das Geschöpf weint!«
7
Es stimmte. Große Tränen rollten über das häßliche Gesicht des Trolls, und seine breite, mächtige Brust wurde von heiseren Schluchzern geschüttelt.
»Achtzehnhundert Jahre!« stieß er erstickt hervor und blickte wie ein im Käfig gefangenes Tier zu Jim auf. »Achtzehnhundert Jahre habe ich diesen Hügel gehalten und dieses Land, so daß kein anderer Troll es wagte, einen Fuß darauf zu setzen. Achtzehnhundert Jahre...«
Er umklammerte den Kilt an seiner Taille und hob Jim den Saum entgegen.
»Lest! Zählt! Jeder Strich - zehn Jahre. Jeder Strich bedeutet, daß dieser Platz mir gehört!«
»Ich verstehe«, erwiderte Jim, denn trotz allem, was sich zuvor ereignet hatte, ging dieser jähe und überwältigende Ausbruch von Trauer ihm unwillkürlich zu Herzen. »Ich glaube Euch, Mnrogar«, sagte er. »Ich sehe die Striche. Ja, ich glaube Euch - achtzehnhundert Jahre.«
»All diese Zeit!« stieß Mnrogar, immer noch schluchzend, hervor. »Und jetzt bringt Ihr, irgendeiner von Euch Menschen, ausgerechnet mir einen anderen Troll auf mein Land, in mein Haus - und Ihr haltet mich davon ab, etwas gegen ihn zu unternehmen!«
Der Schmerz des Trolls war so stark, daß Jim ihn nicht länger ertragen konnte. Hastig suchte er in Gedanken nach irgendeinem Zauberspruch, mit dem er den Schmerz des Elementargeistes lindern konnte. Sein Grundstock an Zaubersprüchen war so gering, daß ihm zuerst nichts einfallen wollte. Aber dann wurde ihm klar, daß er doch etwas
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