Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
zurück. Ein wildes, unvernünftiges Gefühl durchschoß Jim.
»Es sei denn«, sagte er und hob langsam einen Finger, um auf sie zu zeigen, »ich beschlösse, Euch auf der Stelle in etwas Kleines und Schleimiges zu verwandeln!«
Agatha stieß ein leises kehliges Geräusch aus, das starke Ähnlichkeit mit einem tierischen Laut hatte, und schoß aus dem Zimmer. Sie hörten noch die Tür zum Flur hinter ihr zuschlagen.
Jim und Angie sahen einander an. Dann sprach Angie mit einer Stimme, die Jim bei ihr noch nie zuvor gehört hatte.
»Nur gut, daß du im richtigen Augenblick zurückgekommen bist, Jim«, sagte sie. »Wenn ich an diesen Dolch herangekommen wäre, wäre sie jetzt tot.«
Jim blickte auf die Waffe in seiner Hand. Mit einer plötzlichen Aufwallung von Abscheu warf er sie in die hinterste Ecke des Zimmers. Angie fiel ihm in die Arme, und er hielt sie fest, während das Beben, das sie schüttelte, allmählich nachließ und zu einem leichten Zittern wurde, bis sie wieder ganz ruhig war.
»O Jim!«
Er hielt sie immer noch fest, bis sie sich von ihm löste und einen Schritt zurücktrat.
»Hättest du das wirklich getan?« Angie zitterte plötzlich vor Lachen, während sie sich gleichzeitig mit dem Handrücken über die Augen fuhr. »Hättest du sie wirklich in etwas Kleines und Schleimiges verwandelt?«
»Ich glaube nicht, daß ich das gekonnt hätte, um die Wahrheit zu sagen«, antwortete Jim düster. »Ich bin mir nicht sicher, ob die Gesetze für Magier es mir erlaubt hätten; zudem hat der Bischof die Burg gesegnet. Aber ich hätte es versucht.«
»Dabei hätte es so gut zu ihr gepaßt«, sagte Angie mit einem zittrigen Lachen.
Jim sah die Amme an. In diesem Augenblick regte sie sich und murmelte etwas, aber ihre Augen blieben geschlossen.
»Was ist mit ihr passiert?« fragte Jim.
»Sie kommt schon wieder auf die Beine«, sagte Angie, »aber wir werden Robert bis morgen Zuckerwasser zu trinken geben müssen. Agatha hat sie betrunken gemacht.«
»Betrunken?« Jim starrte Angie an. »Mit Wein?«
»Nein«, sagte Angie. »Mit Brandy, glaube ich. Weißt du, selbst dieses Jahrhundert kennt Branntwein, obwohl er nicht viel getrunken wird. Ich vermute, daß es französischer Brandy war - vielleicht auch etwas aus Südfrankreich. Der Hof des Königs ist sicher einer der Orte, an dem man so etwas finden kann.« Jim nickte.
»Ich verstehe, warum du nicht willst, daß sie dem Kind die Brust gibt, solange sie Alkohol im Leib hat«, sagte Jim. »Aber es überrascht mich doch, daß Agatha sich die Zeit genommen hat, sie betrunken zu machen.«
»Vergiß nicht, Jim, Menschen ihres niederen Ranges können von Glück sagen, wenn sie in ihrem ganzen Leben überhaupt einmal Wein zu kosten bekommen. Und wenn sie eine Gelegenheit dazu sehen, kippen sie ihn auf dieselbe Weise runter, wie sie ihr Dünnbier zu kippen pflegen.«
Ihre Stimme wurde härter.
»Es war ein Wunder«, sagte sie. »Ich wollte in den Palas gehen, hatte aber plötzlich ein unangenehmes Gefühl; und ich habe mich nicht geirrt. Als ich hierher zurückkam, sagte Tom, er habe Agatha eingelassen, weil die Amme ihm erklärt habe, sie sei schon früher eingelassen worden. Also bin ich ins Zimmer gerannt. Die Amme war bereits bewußtlos, und Agatha wollte den kleinen Robert in... in seiner Wiege« - ihre Stimme zitterte - »ersticken ...«
Bei den letzten Worten wurde ihre Stimme tiefer und nahm wieder diesen unnatürlichen Klang an, den Jim bis vor wenigen Sekunden noch nie zuvor bei ihr gehört hatte.
»Du mußt im allerletzten Augenblick gekommen sein ...«, setzte Jim an.
»Sie versuchte, Robert so hinzulegen, daß es aussah, als wäre sein Tod ein Unfall gewesen!« sagte Angie. »Das ist der einzige Grund, warum Robert nicht schon tot war, als ich hereinkam. Aber auch wenn ich ihn tot und sie bei ihm vorgefunden hätte, wäre mir alles klargewesen. Also machte ich mich daran, sie rauszuwerfen, und sie zog ihren Dolch.«
Da war es wieder, dieses zittrige Lachen.
»Ich hatte selbst einen Dolch an meinem Gürtel, und ich habe nicht einmal an ihn gedacht«, sagte sie. »Ich habe sie geschlagen. Damit hat sie nicht gerechnet, und einen Augenblick lang hat sie das aufgehalten. Dann konnte ich plötzlich wieder klar denken und habe den Arm mit dem Dolch gepackt. Sie war furchtbar stark, aber ich wollte sie weder an mich noch an Robert ranlassen. Ich kann von Glück sagen, daß du im richtigen Augenblick aufgetaucht bist!«
»Ich hätte selbst eine
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