Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
Vorahnung haben sollen«, sagte Jim trostlos. »Ehrlich gesagt kam ich gerade die Treppe hinauf und versuchte, mich an ein Lied zu erinnern.«
Angie kam auf ihn zu, nahm ihn in die Arme und küßte ihn. »Du bist gekommen«, sagte sie. »Und nun laß uns ins Nebenzimmer gehen. Robert ist ganz von allein eingeschlafen, jetzt, da hier wieder alles still ist; und ich möchte diesen Raum im Augenblick am liebsten nicht mehr sehen.«
»Was ist mit der Amme?« fragte Jim. »Sollten wir sie nicht irgendwo hinlegen, auf ihre Pritsche vielleicht?«
»Nein«, sagte Angie, »laß sie auf dem Boden. In den nächsten Stunden spielt es ohnehin keine Rolle für sie. Und wenn sie aufwacht und sich einfach grauenhaft fühlt, kann ihr das nur guttun. Sie sollte auf alles, bis hin zur Todesstrafe, gefaßt sein, aber ich werde ihr nur sagen, daß sie sich für ihre Tat beim Allmächtigen wird rechtfertigen müssen. Das wird schlimmer sein als alles, was ihrem Körper geschehen könnte. Und jetzt komm ins Nebenzimmer, Jim.«
Nebenan setzten sie sich in die beiden Sessel an dem kleinen Tisch, auf dem der Wein, die Wasserflaschen und die Gläser standen. Angie beschäftigte sich bereits damit, ihr Haar glattzustreichen und das braune Gewand zurechtzuzupfen - ihr Lieblingskleid, wie Jim wußte -, als hätten ihre Hände einen eigenen Willen.
Das Gewand war aus einer feingesponnenen Wolle, und sein Braunton paßte perfekt zu ihren Augen. Es wies den rechteckigen Ausschnitt auf, der der Mode dieser Zeit entsprach, ebenso wie das enge Mieder und der bodenlange Rock. Angie hatte es auf eine Art und Weise umarbeiten lassen, die ihm einen Hauch von zwanzigstem Jahrhundert gaben. Als verheiratete Frau konnte sie ihr Haar gelockt und zu zwei Knoten aufgerollt tragen, einen an jeder Seite ihres Kopfs. Aber über diesen Knoten trug sie ein Band im Haar, und darüber hing der traditionelle, durchsichtige Netzschleier hinter ihrem Kopf herab. Diesem Schleier hatte sie kleine Glitzerpunkte aus Silberfolie hinzugefügt.
Jim schenkte ihnen Wein ein, machte sich aber nicht die Mühe, auch noch Wasser hinzuzugeben.
»Das brauche ich nicht«, sagte Angie und zeigte mit dem Kopf auf ihr Weinglas.
»Trink es trotzdem«, sagte Jim. »Du brauchst etwas, um einen Schlußstrich unter diese ganze Geschichte zu setzen.«
Angie hob das Glas an die Lippen, nippte daran und nahm einen ordentlichen Schluck davon. Danach setzte sie das Glas wieder ab und begann hastig zu reden.
»Vielleicht hast du recht«, sagte sie. »Jim, ich wollte gerade in den Palas, um mich dort zu zeigen, da wir beide uns seit heute morgen mehr oder weniger unsichtbar gemacht hatten. Ich war am Vormittag einfach zu erschöpft. Ich hatte plötzlich das Gefühl, all diesen Jubel nicht mehr ertragen zu können, nur weil ein Falke einen kleinen Fuchs getötet hat.«
Angie verstummte plötzlich und saß ganz still da. Dann nahm sie noch einen Schluck Wein.
»Ich habe dir erzählt, warum ich zurückgekommen bin«, sagte Angie, deren Stimme nun schon wieder ruhiger klang. Sie trank noch einen Schluck von ihrem Wein. »Warum bist du zurückgekommen?«
»Ich wollte dir erzählen, was ich wegen dem maskierten Troll unternehmen will«, sagte Jim. »Ich dachte mir, daß ich dich hier oben finden würde, weil du dich ausruhen wolltest.«
Angie lachte. Dieses Lachen klang zum ersten Mal wieder wie ihr gewohntes Lachen.
»Ganz gleich, wie du die Sache drehst«, sagte sie, »was ich hier oben getan habe, als du mich gefunden hast, hatte mit ausruhen nichts zu tun!« Sie warf einen Blick auf ihr Glas. »Jim, ich habe nicht geglaubt, daß es so schnell gehen würde, aber du hattest recht. Der Wein hilft wirklich.«
»Nach einem Erlebnis, wie du es gerade hattest, wirkt der Wein erheblich schneller«, sagte Jim.
Angie nippte noch einmal an ihrem Glas.
»Also«, sagte sie, »schieß los.«
»Ich hatte eine Idee«, sagte Jim. »Es ging darum, Mnrogar und den Grafen an einen Tisch zu bekommen, mit mir als Schiedsrichter. Ich wollte, daß die beiden die Dinge bereden und sich auf eine Möglichkeit verständigen, wie Mnrogar ohne gesehen zu werden hinaufkommen kann. Auf diese Weise hätte er dann Gelegenheit, sämtliche Gäste nach und nach zu beschnuppern.«
Er füllte ihr Glas noch einmal.
»Das brauche ich nicht«, sagte Angie mit Blick auf das Glas in ihrer Hand.
»Dann laß es stehen«, erwiderte Jim ungerührt. »Die Frage ist, wie es dem anderen Troll gelingt, sich in der Maske eines
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