Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
wenngleich sie noch immer alles andere als mild war.
Währenddessen gelangte Jim allmählich zu dem Schluß, daß er so bald keinen Gewaltritt mehr mit Baiju machen würde. Der kleine Mongole hetzte sie vom frühen Morgen bis nach Einbruch der Dunkelheit weiter, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie nur drei Stunden in der Nacht geschlafen. Die Kamele ertrugen diese Tortur mit bewundernswertem Gleichmut. Brian sagte zwar nichts, doch wirkte sein Gesicht mit jedem Tag ein wenig grauer, und als sie Palmyra erreichten, zeigte er unübersehbar Anzeichen von Erschöpfung.
Eine Vergnügungsreise war es also nicht. Die Kamele mochten zwar wahre Juwelen und eigens für hohe Geschwindigkeit gezüchtet worden sein, und es ließ sich auch nicht abstreiten, daß ihr Gang geschmeidiger war als der anderer Kamele. Dennoch waren sie beide am Ende ihrer Kräfte, als sie endlich nach Palmyra gelangten.
Im Sattel zusammengesunken und hin und her schwankend vor Erschöpfung, ritten sie am späten Nachmittag in die Stadt ein. Sie bestand aus einer erklecklichen Anzahl von Zelten und mehr oder minder leicht gebauten Holzhäusern, die man auf den Fundamenten einer ehemals römischen Stadt errichtet hatte.
Damals war die Stadt nach einem regelmäßigen Muster angelegt worden, und an der von Ost nach West verlaufenden Hauptstraße standen noch die Ruinen eines zweifachen Säulengangs. In deren Nähe lag die Karawanserei, zu der Baiju sie führte.
Man wies Jim und Brian ein Zimmer zu. Erst jetzt wurde Jim bewußt, daß sie beide kein Gepäck dabeihatten. Ihre schweren Rüstungen, die Waffen, die Wäsche zum Wechseln und - was am schlimmsten war -seine ungezieferfreie Schlafmatte fehlten.
Zum Teufel damit, dachte er erschöpft und suchte sich eine saubere Stelle auf dem Boden. Er stellte sich eine magische Linie vor, die jegliches Ungeziefer abschrecken würde, legte sich nieder und deckte sich mit dem Umhang zu. Er besaß gerade noch die Geistesgegenwart, dem splittrigen Holzboden auf magische Weise die Weichheit eines Betts zu verleihen, dann fiel er auch schon in einen tiefen Schlaf.
Baiju weckte sie auf. Der Mongole hatte die Strapazen des Gewaltritts anscheinend mühelos verkraftet. Als sie erwachten, stand er über ihnen.
»Wollt Ihr etwa ewig schlafen?« fragte er.
»Jetzt, wo Ihr hier herumschreit, bestimmt nicht mehr!« entgegnete Brian. »James, ich brauche etwas zu essen - und ein Schwert. Wir müssen uns beide Schwerter verschaffen. Aber erst einmal frühstücken! Wo bekommt man hier an diesem verfluchten Ort etwas zu essen?«
»Steht auf und kommt mit«, erwiderte Baiju. Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich zur Tür.
»Wartet mal«, sagte Jim. Anders als Brian, der morgens zwar solange üble Laune hatte, bis er gefrühstückt hatte, dafür aber augenblicklich hellwach war, brauchte Jim einige Zeit, um zu sich zu kommen. »Wenn Ihr ohne uns zur Tür hinausgeht, dann sind wir geschiedene Leute. Ich brauche noch ein wenig Zeit.«
Baiju fuhr herum.
»Ich habe Euch hergebracht«, sagte er drohend, »und jetzt verweigert Ihr mir den verdienten Lohn?«
»Wir haben keinerlei Abmachung miteinander getroffen«, entgegnete Jim. »Abu al-Qusayr hat Euch gesagt, ich würde Euch von Nutzen sein; das war der einzige Grund, weshalb Ihr uns geholfen habt hierherzugelangen. Wenn Ihr anderer Ansicht seid, dann wendet Euch an ihn.«
Er beachtete Baiju nicht mehr.
»Kob?« fragte er.
»Ja, Mylord«, antwortete hinter ihm eine leise Stimme. Aus den Augenwinkeln sah Jim, daß Baiju erbleichte und die Augen aufriß.
»Alles in Ordnung«, meinte Jim, um sowohl Kob wie auch den abergläubischen Baiju zu beschwichtigen. »Ich wollte bloß sehen, ob du da bist. Die Reise muß ziemlich öde für dich gewesen sein. Ich weiß doch, daß du nicht schläfst.«
»Das macht nichts«, erwiderte Kob. »Kobolde sind daran gewöhnt, daß lange Zeit nichts passiert. Dann sitzen wir einfach da und denken, anstatt zu schlafen, an angenehme Erlebnisse aus der Vergangenheit.«
»Ich werde unten im Speiseraum auf Euch warten«, sagte Baiju hastig und ging hinaus.
Jim hatte ihn beinahe schon vergessen gehabt. Allmählich wurde er wach, und nun merkte er auch, wie verschwitzt er war. Für eine Dusche im Stil des zwanzigsten Jahrhunderts hätte er beinahe alles gegeben, doch daran war natürlich nicht zu denken.
Ein Bad wäre auch nicht schlecht gewesen, doch hätte der Besuch eines Badehauses einen zu großen Aufwand bedeutet. Jim
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