Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
wohnten, waren nicht die rechte Gesellschaft für einen Knaben; und sonst gab es in der Nähe keinen geeigneten Haushalt. Daher blieb Brian bei uns, und wir wuchsen miteinander auf, wie ich schon sagte.«
»Wie alt wart Ihr, als alles anfing?« fragte Angie.
»Als wir uns kennenlernten, war Brian sieben, und ich war fünf«, antwortete Geronde, »aber es mag auch sein, daß wir schon als Kleinkinder zusammen waren. Meine Erinnerung jedenfalls reicht bis zum Alter von fünf Jahren zurück; und anschließend verbrachten wir stets einen Teil des Jahres miteinander; wir waren wie Bruder und Schwester, und man hätte eigentlich meinen sollen, es sei ausgeschlossen, daß wir uns jemals ineinander verlieben.«
»Aber Ihr habt es dennoch getan«, warf Angie ein.
Jim blickte aus dem Fenster auf einen wilden Falken am wolkengesprenkelten Himmel, der hoch über dem Wald jenseits der Lichtung kreiste. Angies Stimme hatte einen auffallend drängenden Unterton gehabt, den er seit jeher fürchtete. Die Wärme des Feuers und des Weins, den er leichtsinnigerweise unverdünnt getrunken hatte, machten ihn nicht nur schläfrig, sondern auch benommen; und er fürchtete ein wenig, gleich hieße es: >Ach, dann hat Euer Großonkel also da und da gelebt? Ob er wohl meine Verwandten kannte, die auch aus dieser Gegend kommen?< Er bemühte sich, die Augen offenzuhalten.
Geronde nickte.
»Zunächst merkten wir es nicht«, sagte sie. »Wir fehlten einander, wenn wir getrennt waren, und waren nie glücklicher, als wenn wir zusammen waren. Oh, bisweilen haben wir uns fürchterlich gestritten; aber eines Tages stellte sich dann doch heraus, daß wir uns liebten. Später, als ich älter war, sagte ich meinem Vater, Brian und ich wollten heiraten - das war während eines seiner kurzen Aufenthalte in der Burg.«
»Er war nur selten da?« fragte Angie.
»Er hatte ständig irgendwelche Geschäfte zu tätigen, die ihm angeblich ein Vermögen einbringen sollten, aber dazu kam es nie«, antwortete Geronde. »Wie ich schon sagte, waren er und Brians Vater sich darin ähnlich, daß sie der Schimäre des Reichtums nachjagten. Als ich ihm meine Liebe zu Brian gestand, stampfte er auf den Boden und brüllte, er werde mir niemals erlauben, Brian zu heiraten. Ich solle einen Herzog heiraten - einen Prinzen! Das war auch wieder so ein großer Traum von ihm - bloß war mir Brian lieber als jeder Prinz der Welt.«
Unvermittelt wandte sie sich an Jim. Der schreckte hoch und bemühte sich nach Kräften, hellwach und interessiert zu wirken.
»Und deshalb wollte ich Euch aufsuchen und mit Euch beiden sprechen, James. Brian hat mir gesagt, Ihr würdet darauf warten, daß Euch der König die Vormundschaft über Robert Falon zuspricht, und müßtet unter Umständen persönlich bei Seiner Majestät vorstellig werden - so daß Ihr England derzeit nicht verlassen könntet. Dafür habe ich volles Verständnis; Brian übrigens auch.«
»Nun ja...«, meinte Jim verlegen. Es stand außer Zweifel, daß Brian über Jims Weigerung, ihm jetzt, da er den Aufenthaltsort von Gerondes Vater ausfindig gemacht hatte, bei der Suche zu helfen, tief bestürzt gewesen war. Nach den Maßstäben des Mittelalters war es für Jim das einzig Vernünftige gewesen, unter diesen Umständen zu Hause zu bleiben, selbst zum Preis ihrer Freundschaft.
Daher hatte Brian sich den Gründen für Jims Entscheidung bei nüchterner Beurteilung wohl kaum verschließen können; gleichwohl aber waren sie in dem Sinne Blutsbrüder, daß sie ihr Blut bei mehr als einer Gelegenheit gemeinsam vergossen hatten, und gemäß dem Ideal der Ritterlichkeit, das Brian anstrebte und in allem, was er tat, auch erreichte, hätte Jim Falons Reichtum verschmähen müssen, um einem Kameraden beizustehen. Geronde empfand wohl ganz ähnlich wie Brian.
»Nun ja...«, meinte Jim zögernd.
»James, Ihr dürft nicht glauben, ich hätte gegen Eure Entscheidung etwas einzuwenden«, sagte Geronde aufrichtig. »Im Laufe unseres Lebens müssen wir alle bisweilen harte Entscheidungen treffen. Ich weiß wohl, daß nicht nur Brian, sondern auch Euch das Herz bei dem Gedanken, ins Heilige Land zu reisen, höher schlug, ganz zu schweigen von Eurem natürlichen Wunsch, einem Waffenbruder beizustehen. Wahrscheinlich müßt Ihr bereits Entscheidungen hinsichtlich der Verwaltung von Robert Falons Grundbesitz treffen. Gleichwohl möchte ich Euch dringend bitten, Euch eine bestimmte Entscheidung zu überlegen.«
»Die Sache ist die,
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