Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
sollten wir allmählich zum Ende kommen, Sir Brian.«
»Ich bin betrübt, Sir«, entgegnete Brian. »Es erscheint mir höchst unhöflich, aufzuhören, ohne Euch Gelegenheit gegeben zu haben, Eure Verluste zurückzugewinnen. Wenn Ihr müde seid, so möchte ich Euch nicht am Zubettgehen hindern. Aber ich versichere Euch...«
»Ach«, meinte Sir Mortimor, »das habe ich nur aus Höflichkeit gesagt. Ich bin überhaupt nicht schläfrig; außerdem würde ich sowieso kein Auge zutun, sondern immer wieder nach dem Rechten sehen. Wenn Ihr nichts dagegen habt, wäre es mir ein Vergnügen weiterzuwürfeln. Ich gebe zu, ich würde meine Verluste nicht ungern wieder wettmachen. Laßt mir nur einen Moment Zeit, ein paar Münzen zu holen, damit wir unsere Einsätze offen vor uns auf den Tisch legen können, wie es Edelmännern geziemt.«
»Unbedingt!« rief Brian, Jims Zeichen, mit dem Spielen aufzuhören, entschlossen mißachtend. »Ich werde mich mit Freuden solange gedulden. Und Sir James bestimmt auch.«
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Sir Mortimor.
»Brian«, meinte Jim mit gesenkter Stimme, als der hochgewachsene Ritter hinausgegangen war, »Ihr hättet wirklich aufhören sollen. Der Gewinn, den Ihr bislang eingeheimst habt, hat Euch doch gewiß zumindest für einen Teil Eurer bisherigen Verluste entschädigt.«
»Das stimmt schon«, erwiderte Brian. »Aber es gehört sich, daß ich ihm Gelegenheit zur Revanche gebe.«
»Da bin ich wieder«, sagte Sir Mortimor und nahm am Tisch Platz. »Da Ihr heute abend Gold zu setzen beschlossen habt, Sir Brian, halte ich es für angebracht, es Euch gleichzutun.«
Er schüttete aus seinem Geldbeutel eine Handvoll englischer Rosennobel auf den Tisch, wie Brian sie vor einigen Monaten beim Weihnachtsturnier gewonnen hatte. Bestimmt hatten sie einmal Brian gehört, überlegte Jim. Jetzt lagen auf beiden Seiten beträchtliche Einsätze auf dem Tisch.
Das Würfeln ging weiter. Zunächst gewann wieder Brian. Dann wandte sich das Glück eine Zeitlang gegen ihn, bis er abermals gewann. Jetzt, da die Rosennobel auf dem Tisch lagen, währte die zweite Gewinnsträhne allerdings nicht mehr so lange, und schon bald gewann mal der eine, mal der andere, doch allmählich wurde Brians Münzstapel immer kleiner, während der von Sir Mortimor stetig wuchs.
Beide Männer waren so sehr ins Spiel vertieft, daß sie ihre Umgebung kaum mehr wahrnahmen, und auch Jim war völlig gefesselt vom Spiel. Er wurde sich immer sicherer, daß Sir Mortimor den Fall der Würfel auf die eine oder andere Weise beeinflußte. Doch so genau er auch hinschaute, wenn Sir Mortimor die Würfel rollen ließ, vermochte er nichts Ungewöhnliches zu erkennen, und wenn Brian gewann, verhielt es sich ebenso.
Gleichwohl wuchs sich sein Verdacht allmählich zur Gewißheit aus. Der Rhythmus des Hin und Her - bei dem Brian eine Weile führte, bis er seinen Gewinn und noch mehr wieder verlor - hatte etwas Künstliches an sich.
Jim wünschte sich, er hätte mehr über Mogeleien und das Glücksspiel im allgemeinen gewußt. Woran er sich erinnern konnte, waren bruchstückhafte Kenntnisse, die er irgendwo aufgeschnappt hatte.
Zwei dieser Erinnerungsschnipsel rückten jedoch in den Vordergrund. Der eine stammte wohl aus irgendeiner Erzählung. Er betraf den sogenannten >Glücks-wurf<, den manche Spieler angeblich beherrschten. Die andere Kenntnis stammte wohl aus verläßlicherer Quelle und besagte, daß manchmal die Kanten der Würfel angeschliffen wurden, so daß eine Seite bevorzugt oben zu liegen kam.
Wenn ihn sein Gedächtnis nicht trog und Sir Mortimors Würfel tatsächlich angeschliffen waren, hätte Brian allerdings ebenfalls gewinnen müssen, wenn er an der Reihe war.
Das heißt, falls es nicht tatsächlich so etwas wie einen >Glückswurf < gab - eine bestimmte Art des Würfelns ...
Um nur bei Sir Mortimor, nicht aber bei Brian zu funktionieren, hätte es sich schon um eine äußerst ausgefeilte Technik handeln müssen, und das erschien Jim eher unwahrscheinlich. Während er sich den Kopf zerbrach, stieß er auf einmal auf eine ganz naheliegende Antwort. Es wäre doch möglich, daß Sir Mortimor zwei Sätze Würfel hatte und daß er den einen benutzte und Brian den anderen.
Das erschien ihm jedoch nicht minder weit hergeholt als die Sache mit dem >Glückswurf<. Jim überlegte angestrengt. Wenn Sir Mortimor ständig die Würfel austauschte, mußte er dies vor ihren Augen tun, ohne daß ihnen etwas auffiel - und das war
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