Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
Und ich sage dir, was
du tun sollst. Hast du mich verstanden?«
May blickte zu Boden.
»Ja, M’lady.«
Angie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Gwynneth.
»Und du, Meisterin Plyseth? Hast du mich auch verstanden?«
»O ja, M'lady!« rief Gwynneth, aber sie rang ihre Hände. »Obwohl nun, ich weiß nicht, M'lady, wirklich nicht. Ich weiß es sicher nicht. Ich habe die Sachen so beigebracht bekommen, als ich Lehrling in der Anrichtestube war, und ich bin für den Unterricht wirklich dankbar. Doch wenn M'lady sagt, daß ich
sie anders lehren soll, dann mach ich das. Aber…«
»Kein aber. Tu es einfach.«
»Selbstverständlich, M'lady«, antwortete Gwynneth. Jetzt, da sie einen unwiderruflichen Befehl bekommen hatte, wirkte sie viel ruhiger. Es war wie Regen oder Hagel, keine christliche Seele konnte dagegen etwas tun. »Aber ich soll ihr nur nicht mehr ihre Aufgaben einprügeln, nicht wahr, M'lady? Wenn sie frech wird oder ihre Pflicht nicht ordentlich erfüllt, oder wenn sie launisch ist, dann wäre es in Ordnung, nicht wahr?«
»Das ist genau das, was ich ihr gerade gesagt habe«, antwortete Angie resigniert und erinnerte sich plötzlich wieder daran, warum sie eigentlich hier war. »Aber jetzt Schluß damit. Es muß ein Mahl für Gäste vorbereitet werden. Lady Geronde und Sir Brian können jeden Augenblick dasein.«
»Ja, M'lady«, sagte Gwynneth und war wieder ganz in ihrem Element. Sie wandte sich an May Heather.
»May, du findest den Lord in der vorderen Halle oder draußen. Überbring von M'lady die Nachricht…«
»Darum kümmere ich mich selbst!« fiel Angie ihr ungeduldig ins Wort – es durfte keine Zeit mehr vertrödelt werden. »Ihr beide kümmert euch hier um eure Arbeit.«
Angie eilte von der Anrichtestube zur Großen Halle. In dem langen Raum mit der hohen Decke hielt sich niemand auf. Niemand saß an der hohen Tafel, die sich auf einem Podest vor der Stirnwand befand. Die zwei unteren Tafeln standen parallel zu den Längswänden. An ihren Tafeln speisten gewöhnlich die weniger hochstehenden Gäste. Aber auch da saß niemand.
Die Tür am anderen Ende der Halle stand halb offen, und durch das Rechteck aus hellem Sonnenlicht konnte Angie einen kleinen Ausschnitt des Burghofs erkennen. Auch dort war niemand zu sehen, aber sie konnte einen dumpfen Schlag und wildes Geschrei hören.
Angie rannte die Halle hinunter zur Tür.
»Jim! Geronde und Brian kommen!«
»Ich weiß«, antwortete die tiefe Stimme eines erwachsenen männlichen Drachen. »Sie sind schon da. Sie reiten gerade durchs Tor.«
Angie kannte diese besondere Drachenstimme zu gut. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, stellte aber fest, daß sie durch das Rennen zu sehr außer Atem geraten war. Jim würde, sobald sie bei ihm war, etwas zu hören bekommen. Warum befand er sich überhaupt noch in seiner Drachengestalt? Wenn unerwartete Gäste eintrafen, dann war keine Zeit mehr zum Trödeln.
Kapitel 3
ABER ANGIE SPRACH IHREN GEDANKEN niemals laut aus. Als sie schließlich in den Burghof rannte, prallte sie beinahe gegen Jims Drachengestalt, die vor der Tür im Burghof saß. Sie bemerkte sofort, daß etwas Ungewöhnliches vorgehen mußte.
Theoluf hatte Jim eben erklärt, daß die Belagerer abgezogen waren, aber die Atmosphäre schien noch immer gespannt.
Yves Mortain, der Oberste der Bewaffneten, rannte die Treppe zum Wehrgang hoch, und John Steward schritt gerade unbeholfen auf den Drachen Jim zu. Im gleichen Augenblick ritten Geronde und Brian vor die Tür des Palas, während ihre Eskorte zu den Ställen abschwenkte. Der Verwalter erreichte Jim noch vor den Herrschaften von Malvernburg, und Jim bellte seinem Knappen die Befehle entgegen.
»Theoluf, alle unsere Bogenschützen vor die Schießscharten, die zum Burghof weisen. Die Schützen sollen außer Sicht bleiben, sich aber bereithalten, auf jeden zu schießen, der durch unser Tor kommt. Die fünf walisischen Bogenschützen sind immer noch in der Burg, oder?«
»Ja, M'lord! Schwierigkeiten, M'lord?«
»Das will ich nicht hoffen, aber ich möchte für alle Fälle bereit sein. Wir könnten es mit dreißig oder mehr Bewaffneten zu tun bekommen. Sorge dafür, daß keiner ohne Befehl schießt. John Steward…«
»Ja, M'lord«, schnaufte der Verwalter, der schon längere Zeit in seinen besten Jahren war und nun versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
»Wie ich eben Theoluf schon sagte, werden wir Gäste haben
– ein Ritter und eine erkleckliche Anzahl
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