Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
treffen, in uns hineinrennt, weil er denkt, da wäre nichts. Wir wollen doch nicht, daß die Leute merken, daß
wir da sind.«
»Nein, Magier. Natürlich nicht.«
»Nun, dann bringt mich zu den Gemächern Cumberlands.«
Edgar führte Jim zurück zum Burghof, wo gerade ein anderes Spiel im Gange war, das weniger Schaulustige angezogen hatte. Von da nahmen sie einen anderen Eingang als zuvor, folgten einem langen Gang, einer weiteren Treppe, noch mehr Gängen… und gelangten schließlich zu einer breiteren, saubereren Treppenflucht als jede andere, die sie zuvor erklommen hatten.
Oben betraten sie einen breiten Gang. Es war ein langer Weg gewesen, aber er hatte Jim von seinem schmerzenden Rücken abgelenkt.
In diesem Gang liefen Bedienstete mit leeren und vollen
Tabletts auf und ab oder trugen Kleidungsstücke umher.
»Können sie uns hören?« wisperte Edgar in Jims Ohr.
Jim schüttelte den Kopf.
»Sie können uns auch nicht sehen«, erklärte er in gewöhnlicher Lautstärke. »Zeigt mir jetzt, wo die Gemächer des Grafen von Cumberland enden und die des Königs beginnen.«
Edgar starrte ihn an.
»Nun?« sagte Jim ungeduldig.
»Magier, ich… ich weiß nicht, wo sie sind«, sagte Edgar.
»Wirklich, ich weiß nicht genau, wo die Räumlichkeiten des Grafen von Cumberland sind.«
»Teufel auch!«
»Wirklich, Magier«, jammerte Edgar, »ich weiß nicht mal, welche Türen zu welchem Lord führen. Seht Ihr, jemand, der so unwichtig ist wie ich… ich… ich war hier noch nie. Dies ist auch für mich das erste Mal.«
Jim starrte ihn an. Edgar zuckte zurück.
»Wenn Ihr mir ein paar Wochen Zeit lassen könntet«, sagte er hastig, »könnte ich es möglicherweise herausfinden und Euch davon in Kenntnis setzen…«
»Teufel auch!« Jim merkte, daß er sich wiederholte, und versetzte sich und Edgar so schnell in dessen Raum zurück, daß Edgar schwankte und keuchend Luft holte. Jim sah sich im Zimmer um.
»Besorgt mir eine Schale klares Wasser«, befahl Jim. »Nein, wartet, das dauert zu lange.«
Er durchsuchte sein Gedächtnis und versuchte sich zu erinnern, wo auf Malencontri oder anderswo er die Art von Schale gesehen hatte, die er brauchte. Eine kam ihm in den Sinn – eine Schale in Carolinus' Hütte. Er fühlte sich bei der Vorstellung, etwas von Carolinus' Eigentum wegzunehmen, unbehaglich. Aber andererseits war Carolinus in einem Käfig eingesperrt und würde vielleicht niemals herauskommen, wenn Jim nicht etwas unternahm. Er visualisierte die Schale, die er im Kopf hatte – ein Gefäß aus seegrüner Keramik mit einem hohen wellenförmigen Rand und einem kleinen, innen eingesetzten Fisch. Die Schale erschien auf dem Tisch vor ihm.
»Besorgt mir etwas Wasser«, sagte er zu Edgar. » Sauberes Wasser!«
Edgar eilte in den Nebenraum und kam mit einem ledernen Krug zurück. Diesen reichte er Jim.
»Danke«, sagte Jim kurzangebunden. Er goß das Wasser aus dem Krug in die Schale, sah aber sofort, daß im Wasser jede Menge kleiner Körnchen schwammen – möglicherweise Leder, aber vielleicht auch Schlimmeres.
Jim hob die Schale und schüttete den Inhalt ebenso beiläufig aus, wie es Brian getan hätte. Dann stellte er sie zurück auf den Tisch.
»Geh zurück zu Carolinus' Hütte«, sagte er der Schale. »Spüle dich in dem Teich am Klingelnden Wasser gründlich aus und kehre dann mit reinem Wasser gefüllt zurück.«
Die Schale verschwand und kam fast unmittelbar darauf zurück. Sie war bis zum Rand mit so klarem Wasser gefüllt, daß es dem umgebenden Zimmer eigentlich peinlich gewesen sein müßte.
»Na, jetzt kommen wir endlich vorwärts.« Jim zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. Er blickte konzentriert in die Schale. Da er nicht länger im Königreich
der Wurzel war, sollte seine Magie ihm erlauben, in die Höhle des Königs und überall sonsthin zu schauen.
Es war natürlich Wahrsagerei, deren Ausführung er bei Abu al-Qusayr beobachtet hatte, als er und Brian auf der Suche nach Gerondes Vater waren. Der orientalische Magier hatte lieber eine Wasserschale verwendet als eine Glaskugel, die Carolinus und die meisten anderen Magier des nördlichen Europa vorzogen. Jim konzentrierte sich, und die Szenerie in der Höhle setzte sich vor seinen Augen zusammen. Dort schien jeder bewegungslos zu sein.
Hill stand noch immer dem König gegenüber, der sich auf dem Thron vorbeugte – offensichtlich hatten die beiden nicht aufgehört zu streiten. Jim war einen Augenblick lang
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