Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
dauerte nur wenige Minuten, bis sie die Stimme des Seeteufels über sich dröhnen hörten.
»Ah, die See!«
Die steten Schwingungen hätten den Männern sicher Übelkeit bereitet, wenn Jim nicht mit Magie dafür gesorgt hätte, daß sie statt dessen schläfrig wurden. Doch jetzt hörte das Geschaukel auf, und Brian brach plötzlich in Gesprächigkeit aus.
»Das ist doch nicht möglich! Wir waren einen vollen Tagesritt vom Meer entfernt – nun, vielleicht etwas weniger, aber doch so weit, daß wir unmöglich schon da sein können!«
»Naturmagie«, erklärte Jim schlagfertig, und von einem Augenblick zum anderen waren sie vom grünlichen Schimmer des Wassers umgeben. Alle drei spürten ein beunruhigendes Gefühl, das allein Jim wirklich beschreiben konnte. Es war, als seien sie in einem schnell fallenden Aufzug, als würde man den Magen irgendwo über sich zurücklassen.
Jim blickte verstohlen zu den Freunden hinüber. Ihre Gesichter waren ausdruckslos. Zu ausdruckslos. Jim vermutete, daß jeder der beiden glaubte, nur er allein wäre von diesem seltsamen Gefühl ergriffen, und beide schienen fest entschlossen zu sein, den größtmöglichen Gleichmut zu zeigen und sich keine Blöße zu geben. Jim wollte ihnen alles erklären, verwarf den Gedanken dann aber wieder. In Begriffen des vierzehnten Jahrhunderts könnte eine Erklärung schwierig werden
– und das Gefühl war jetzt ohnehin vorbei. Welche Rollespielte es schon, ob die beiden wußten, woran es gelegen hatte?
Nur Augenblicke später schien es, als würden sie durch eine meterdicke Wasserschicht auf eine sandige Ebene blicken, hinter der grünes Land zu erkennen war. Alles wurde von einer Sonne, die sie nicht sehen konnten, in leuchtende Farben getaucht. Felsige Höhen wechselten mit tiefen Tälern.
»Vor ein paar Augenblicken waren da noch ein paar kleine Leute«, sagte Rrrnlf, »aber sie haben sich alle umgedreht und sind davongerannt. Jetzt liegen sie im Gras, so daß ihr sie nicht sehen könnt.« Die Riesenpranke ließ die Reisenden frei. Rrrnlfs Stimme klang traurig. »Kleiner Magier, warum rennen diese kleinen Leute immer vor mir weg?«
»Weil sie ein schlechtes Gewissen haben«, sagte Jim, bevor Brian oder Dafydd antworten konnten.
»Ach so.« Jim sah hoch. Rrrnlf blickte erstaunt hinab. »Das ist es also. Warum haben so viele von euch kleinen Leuten ein ›schlechtes Gewissen‹?«
»So ist es nun auch wieder nicht«, sagte Jim und bemühte sich weiterhin, so schnell wie möglich zu antworten, damit keiner seiner Freunde etwas Falsches sagen konnte. »Es ist nur so, daß du meistens mit meinen Freunden und mir zusammen warst, wenn Leute mit schlechten Gewissen uns verfolgt oder aufgelauert haben.«
»Ach, jetzt verstehe ich«, sagte Rrrnlf.
»Dafydd«, fuhr Jim rasch fort, »ist dies das Versunkene Land, über das Ihr geredet habt?«
»Ja, das ist es. Bringt Ihr uns dann durch das letzte Stück
Wasser zum Land, James?«
»Ja«, sagte Jim. »Bleibt, wo ihr seid…«
»Reiche ich die kleinen Tiere zu euch rein, wenn ihr weg seid?« unterbrach Rrrnlf aufgeregt. »Was muß ich tun, wenn ihr sie bei mir laßt?«
»Wir nehmen sie!« stieß Brian hervor, bevor Jim noch antworten konnte. »Und Rrrnlf – vorsichtig!«
»Ja, kleiner Ritter!«
»Wir werden alle vorsichtig sein, Brian«, sagte Jim. »Danke, daß du uns hergebracht hast, Rrrnlf.«
»Ich danke Euch auch, Rrrnlf«, fügte Dafydd hinzu.
»Danke sehr, Seeteufel«, antwortete Brian ein wenig steif. Offensichtlich war er sich nicht sicher, wie jemand von seinem Stand formal korrekt einen einfachen Elementargeist anreden sollte, der immerhin neun Meter groß war und sie gerade ohne Schwierigkeiten eine große Strecke über Land und in die Tiefe des Ozeans getragen hatte. Er fügte hinzu: »Eine große Aufgabe. Gut gemacht!«
»Oh, ich helfe euch kleinen Leuten doch gern«, antwortete Rrrnlf verlegen. »Darf ich zusehen, wie Ihr jeden mit Magie hineinbringt, kleiner Magier?«
»Selbstverständlich!« Jim verwandelte den Schutz in eine einzige große magische Hülle. Er hatte zuvor die Art von Visualisierung ausgearbeitet, die so etwas wie einen magischen Tunnel durch das Wasser zum vor ihnen liegenden Land schaffen würde. Jetzt stellte er sich das Ganze vor. Der Tunnel erschien, und Jim ging auf ihn zu. Er führte Gorp am Zügel und löste den Schutz um die anderen Pferde auf, während er an ihnen vorbeiging. Brian und Dafydd folgten nun mit ihren eigenen Pferden. Das Packpferd
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