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Drachenruf

Drachenruf

Titel: Drachenruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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fütterte die Echse weiter. Der Kleinen war es egal, wer ihr die Fleischbrocken zuschob, und Sebell nahm einen tiefen Zug des heißen Getränks.
    »Menolly!« Das war die Stimme des Meisterharfners am oberen Treppenabsatz.
    »Ja?« Menolly rannte in den Korridor.
    »Der kleine Kerl führt sich auf wie ein Wilder«, rief der Harfner laut. »Ist er verletzt oder nur hungrig? Seine Augen glühen richtig!«
    »Hier.« Silvina erschien mit einem zweiten Tablett in der Küchentür. »Wir dachten uns schon, dass Menolly Unterstützung brauchen würde, nachdem wir Sebells Geschrei hörten.«
    Menolly lachte. Sie nahm Silvina das Tablett ab und brachte es im Laufschritt nach oben.
    Der Harfner hatte sich wenigstens angezogen und auch die Zeit gefunden, ein Tuch um seinen Arm zu wickeln, aber er wirkte genauso aufgelöst wie Sebell.
    »Bist du ganz sicher, dass sie nur Hunger hat?«, fragte Robinton. Er beruhigte sich erst, als die Bronzeechse gierig nach den Fleischbrocken zu schnappen begann.
    Der Meisterharfner winkte Menolly in sein Arbeitszimmer, aber die Feuerechse glaubte allem Anschein nach, man wolle ihr das Futter vorenthalten, und stürzte sich mit lautem Kreischen auf das Tablett.

    »Ist ja schon gut, du gieriges Biest«, versuchte der Meisterharfner, sie zu besänftigen. »Pst, halt dich still! Heute ist Ruhetag und die Leute wollen ausschlafen.«
    »Zu spät«, brummte Domick missgelaunt. Er stand in der Tür seines Zimmers, in seine Felldecke gewickelt. »Außerdem brüllen Sie selbst wie ein verwundeter Drache!«
    »Na, stehen Sie ruhig auf, die Festflagge weht!«, meinte Robinton versöhnlich und schob Zair den nächsten Fleischbrocken zu.
    »Ein Fest? Das hat mir gerade noch gefehlt!« Damit knallte Domick seine Tür zu.
    »Ich hoffe sehr, dass wir in Zukunft von diesem Lärm verschont bleiben«, meinte Meister Morshai spitz, als der Harfner und Menolly an seinem Zimmer vorbeikamen. Er trug einen Morgenmantel, aber ganz offensichtlich hatte ihn der Tumult im Korridor geweckt. Sein mürrischer Blick war auf Menolly gerichtet, als trüge sie allein die Schuld an dem Lärm.
    »Das hoffe ich auch«, entgegnete Robinton gut gelaunt. »Aber ich muss mich erst mit den Gewohnheiten des Kleinen vertraut machen. Geben Sie uns bitte noch ein paar Tage Gnadenfrist, Morshai.«
    Morshai stotterte etwas, warf Menolly einen grimmigen, anklagenden Blick zu und schloss dann seine Tür betont leise. Auch andere Türen entlang des Korridors klickten. Menolly war froh, dass sie sich in Begleitung des Harfners befand.
    »Lass dich nicht von dem alten Griesgram Morshai einschüchtern, Mädchen«, sagte Robinton, als sie sein Arbeitszimmer betraten. Sie stellte das Tablett auf dem Mittelbrett des Sandtisches ab.
    »Zum Glück hast du keinen Unterricht bei ihm«, fuhr der Harfner fort, während er sich in einen Sessel fallen ließ und Zair fütterte.
    »Nein?«
    Robinton lachte über ihren erleichterten Tonfall, und die
kleine Echse kreischte empört, weil er sich einen Moment lang von ihr abwandte.
    »Meister Morshai unterrichtet nur die Anfänger.« Der Harfner seufzte. »Er besitzt viel Geschick darin, Grundlagen in widerspenstige Lehrlingsköpfe zu pauken. Aber Petiron hat dir bereits mehr beigebracht, als Morshai weiß. Froh darüber, Menolly?«
    »Sehr. Meister Morshai mag mich nicht besonders.«
    »Meister Morshai hat es schon immer für Zeitverschwendung gehalten, Mädchen zu unterrichten. Das bringt nicht den geringsten Nutzen.«
    Menolly schüttelte verwirrt den Kopf. Solche Ansichten in der Harfnergilde? Und sie hatte geglaubt, nur ihr Vater sei rückständig. Aber dann merkte sie, dass Robinton nur Meister Morshai nachgemacht hatte, und sie lächelte. Eine warme Hand fasste sie am Kinn und zwang sie, nach oben zu schauen. Rund um die gütigen Augen des Meisterharfners waren tiefe Falten eingegraben.
    »Morshais Hass auf das weibliche Geschlecht ist hier in der Halle ständiger Anlass zu Witzen, Menolly. Sei höflich zu ihm, wie es seinem Rang und Alter gebührt, aber achte nicht auf seine Vorurteile. Wie gesagt, du musst nicht mit ihm zusammenarbeiten. Nicht dass der Unterricht bei Domick leichter wäre. Er verlangt eine Menge, aber er kann da aufbauen, wo Petiron deine Ausbildung in Komposition abgebrochen hat. Später arbeitest du dann mit mir.« Er lächelte bedauernd. »Ich hätte dich gern sofort in meine Obhut genommen, aber mir mangelt es im Moment einfach an Zeit. Immerhin, Domick versteht mehr als jeder andere

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