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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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wurde Sofia klar, dass sie ihn recht unhöflich hatte stehen lassen. » Verzeihen Sie …«, stammelte sie und versuchte dabei, ihm ihren Koffer abzunehmen.
    » Nun mach dir mal keine Gedanken«, wehrte er ab, » ich freue mich doch, dass du endlich ein wenig aus dir rausgehst. Bis jetzt warst du fast ein wenig zu steif und zurückhaltend«, beruhigte sie der Professor, während er mit beiden Händen den Stoff seiner gestreiften Hose glatt strich. Er war nun anders angezogen als am Vortag und hatte sich für ein schwarzes Cape über einer hochgeschlossenen Weste aus schottischem Tuch entschieden. Anstelle der Krawatte trug er eine Fliege. Ein wenig komisch wurde seine Aufmachung allerdings durch die Melone auf dem Kopf und den Stock mit silbernem Knauf, den er hin und wieder wie einen Propeller durch die Luft wirbeln ließ.
    Ganz wohl in ihrer Haut fühlte sich Sofia jedoch immer noch nicht, und deshalb bestand sie darauf, ihren Koffer wieder selber zu tragen.
    » Jetzt steht uns ein längerer Spaziergang bevor«, sagte der Professor, » bis zu meinem Haus fährt kein Bus.«
    Sie machten sich auf den Weg, zunächst längs der Straße, die gleich am Ufer verlief. Offenbar hatte die Hektik Roms, mit Hupkonzerten, kreischenden Bremsen und Benzingestank, auch diesen See erreicht. Sofia wurde angst und bange. Da es keinen Gehweg gab, trottete sie mit dem Koffer im Arm, damit er nicht auf dem Boden schleifte, dicht am Straßenrand entlang. Der Professor vor ihr schritt geschwind voran.
    Nach einer ganzen Weile gelangten sie zu einem Schild, auf dem » Durchfahrt verboten« stand. Hier ebbte der Verkehr plötzlich ab und Sofia entspannte sich ein wenig. Nach ein paar Metern blieb sie stehen, packte nun den Koffer am Griff und marschierte dann merklich lockerer weiter.
    Nach einigen hundert Metern verbreiterte sich der Weg zu einer Freifläche, die früher wohl einmal ein Parkplatz gewesen sein musste. Doch nun war kein Auto mehr zu sehen und trockenes, verrottendes Laub breitete sich am Boden wie ein Teppich aus. Als Sofia den Blick hob, sah sie zu ihrer Rechten eine mächtige Felswand, die in schwindelerregende Höhe aufragte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Der Anblick hatte etwas Furchterregendes.
    Ihr Vormund blickte sie gelassen an. » Früher war dieser Bereich noch nicht für Autos gesperrt«, erklärte er. » Aber dann kam es hier immer häufiger zu Steinschlägen, sodass die Gemeinde beschloss, den Verkehr umzuleiten. Das hatte für mich den Vorteil, dass es hier sehr viel ruhiger wurde.«
    Sofia schluckte. Tatsächlich stießen sie kurz darauf auf das erste Schild, das vor Steinschlag warnte. In regelmäßigen Abständen waren solche Schilder angebracht, und immer häufiger blickte Sofia ängstlich zu der Felswand auf, die sie düster überragte. Die Wand setzte sich aus enormen, rechteckigen Felsblöcken zusammen, die scheinbar nur vom ausladenden, gewundenen Wurzelwerk der Bäume gehalten wurden, die aus dem Fels wuchsen.
    Sie waren schon über eine halbe Stunde gelaufen, und Sofias Hände waren mittlerweile steif vor Kälte, als sie zu einem grünen Tor mit einem Drehkreuz gelangten, das offenbar Motorroller an der Durchfahrt hindern sollte. Dahinter zog sich ein schmaler Pfad zwischen Farnen und unter Schlingpflanzen, die von den Bäumen herabhingen, schnurgerade durch den Wald. Zwischen dem gewundenen Geäst der Ulmen und Eichen, die sich bis über das Wasser ausstreckten, glitzerte der See, während die Felswand auf der anderen Seite die Sonne verdeckte, sodass der Pfad in schauriger Dunkelheit lag. Diese dichte, düstere Vegetation hatte etwas Ursprüngliches, Ungezähmtes und Sofia lief wieder ein Schauer über den Rücken. Viele tausend Jahre zuvor, als sich der Mensch die Natur noch nicht untertan gemacht hatte, mussten wohl alle Wälder so ausgesehen haben. Und es war nun, als antworteten die Pflanzen und Bäume feindselig auf das Eindringen anderer Lebewesen. Sofia hatte sogar das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Menschen schienen hier unerwünscht zu sein und von einer Natur misstrauisch beäugt zu werden, die zu oft schon von den Menschen verletzt worden war. Sofia jedenfalls fürchtete, jeden Moment könne ein Unheil geschehen, ein Felsblock aus der Wand brechen oder sich ihnen ein wildes Tier in den Weg stellen. Ganz deutlich spürte sie, dass sie und auch der Professor in dieser Natur in der Gewalt einer fremden, unheimlichen Macht waren, und wenn sie heil ans Ziel gelangten,

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