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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Alderwood
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Hosenboden. Die Flügel des Greifen wutschten haarscharf über seinen Kopf hinweg, dann stieg das seltsame Tier mühelos mit kräftigen Schlägen seiner Schwingen immer weiter nach oben. Schon bald war der Greif nur noch ein winziger Punkt am Himmel, der sich zwischen den Wolken verlor.

40.Kapitel: Schicksalsfäden
     
    Nadif glaubte noch immer zu träumen. Noch nie hatte er von einer so üppigen Oase inmitten der Wüste gehört. Vielleicht hatten sie es Geruns Sturheit zu verdanken, dass sie als erste Menschen überhaupt diesen paradiesischen Flecken betreten hatten. Nein, das konnte nicht sein! Sein sich langsam klärender Blick drang durch die sich um ihn her wiegenden Grashalme und erfasste am anderen Ufer des Sees ein Haus. Keine kleine Hütte, sondern ein in gediegenem Fachwerk errichtetes, zweistöckiges Gebäude. Hier lebten also tatsächlich Menschen. Er hoffte, dass sie nicht feindselig gesonnen waren. Noch immer fühlte er sich elend und schwach, er würde nicht in der Lage sein, Gerun und sich selbst zu verteidigen. Ächzend stützte er sich auf und ließ sich gleich wieder fallen. Ihm war übel, er krümmte sich zusammen und würgte, ohne etwas zu erbrechen.
    »Du bist wach!« Gerun kniete plötzlich neben ihm. Nackt. Völlig entspannt nickte sie ihm zu und drückte mit beiden Händen das Wasser aus ihrem Haar. Wahrscheinlich hatte sie ein Bad im See genommen.
    »Du kannst doch hier nicht so herumlaufen!«, krächzte Nadif. »Zieh’ dir etwas an, bevor dich jemand sieht!«
    Gerun lächelte ein wenig gequält. »Du bist gerade von den Toten auferstanden, Nadif, fast wärst du verdurstet. Und dein erster Gedanke gilt meiner Sittsamkeit?«
    Er stützte sich wieder auf. Zum Glück blieb der Schwindel diesmal aus, und so stemmte sich Nadif in eine sitzende Position. Er konnte das stattliche Haus jetzt besser sehen. Wer immer diese Behausung errichtet hatte, verstand sein Handwerk. Aber nach dem dicken Moos auf den Dachschindeln zu urteilen, war der Baumeister längst auf die Reise in die Unterwelt gegangen. Sein solides Werk hatte vermutlich schon mehrere Generationen überdauert.
    »Die Leute dort drüben müssen dich ja nicht unbedingt so sehen!«
    »Keine Sorge, dort wohnen nur drei alte Frauen!«
    Bestürzt sah Nadif Gerun ins Gesicht. »Du bist ganz allein dort hingegangen? Wenn das Haus nun von Wüstenräubern bewohnt gewesen wäre? Verdammt, Frau, lernst du denn niemals dazu? Welch ein Leichtsinn!«
    »Leichtsinn? Das musst du mir vorwerfen? Wer hat sich denn mit dem Drachen angelegt?«, konterte Gerun. Nadif öffnete den Mund, als wollte er zu einer Entgegnung ansetzen, schloss ihn dann aber wieder. Schweigend starrte er Gerun an, ihre schlanke Taille, ihre wohlgerundeten Brüste, die glatte weiße Haut.
    »Ich sollte auch ein Bad nehmen!«, murmelte er schließlich.
    »Das wäre wirklich angebracht! Wir werden nämlich zum Essen erwartet!« Gerun fuhr mit gespreizten Fingern durch ihr nasses Haar, um es zu entwirren. Der entgeisterte Gesichtsausdruck Nadifs entging ihr völlig.
     
    Von drinnen klang ein freundliches »So tretet doch ein!«, als Gerun an der Tür pochte. Sie drückte die Klinke herab und zog Nadif an der Hand mit sich in das Innere des Hauses. Nadif kniff die Augen zusammen, um in dem Dämmerlicht des Raumes besser sehen zu können. Die Butzenscheiben in den Fenstern ließen nicht viel von dem letzen Licht des Tages herein. Noch immer drückte seine Körperhaltung absolute Wachsamkeit aus. Er wollte nicht glauben, dass die Oase nur von einigen alten Weibern bewohnt wurde.
    Die drei Frauen saßen im Schein einer Öllampe beieinander und hatten offenbar gerade ihre Arbeit unterbrochen. Alle drei trugen ihr dünnes, schneeweißes Haar zu langen Zöpfen geflochten, die ihnen wie Rattenschwänzchen über die Schultern hingen, alle drei schauten ihren Besuchern aus erstaunlich klaren Augen entgegen. Das hellwache Leuchten dieser Augen passte so gar nicht zu den runzligen Gesichtern der Greisinnen. Eine saß vor einem beachtlichen Haufen Wolle und hielt einen frisch aufgesteckten Rocken in der Hand, die Mittlere hockte hinter einem Spinnrad, die Letzte umfasste ein Knäuel aufgewickelter Fäden mit ihren Fingern. Hinter ihr stand eine große Truhe, in der sich schon unzählige Wollknäuel häuften, große und ganz kleine, solche mit hauchdünnen Fäden, andere mit unzähligen Knoten im Garn.
    »Einen stattlichen Krieger hast du bei dir, liebes Mädchen!«, sagte die Alte hinter dem

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