Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
anderes übrig!«, schniefte Inna und zog die Nase hoch. »Machen wir es wie früher?«
Perk umfasste ihre Hüfte und hob sie in die Höhe. Sie quietschte ein bisschen, aber ihre Augen leuchteten.
»Wie früher, Blindfisch!«
Ein Bewohner des Hauses konnte nur sehen, dass die drei Bettelkinder auf dem selben Weg, den sie gekommen waren, wieder verschwanden. Aber kaum außerhalb der Sichtweite des Hauses sprangen Yoyo und Perk mitsamt dem Mädchen in ihrer Mitte seitlich des Weges in das hohe Gras und liefen geduckt zurück zu dem Anwesen. Die Bäume machten die Sache noch leichter. Kurz darauf hockten sie im Unterholz unweit der Mauer.
»Sieht nicht aus, als wäre der Hof arg bewacht! Ich schaue mir das mal etwas näher an!« Perk huschte in den Schatten der Einfriedung. Es gab keine Fenster nach außen und offensichtlich auch keinen Wehrgang.
»Wir sollten warten, bis es dämmert!«, flüsterte Yoyo.
»Für mich ist es immer dunkel! Außerdem würde uns wieder ein halber Tag verloren gehen! Übermorgen soll schon der Scheiterhaufen brennen!«, wisperte Inna zurück.
»Übermorgen? Dann ist das hier eine völlig sinnlose Sache, Inna! Wer soll denn innerhalb eines Tages vom Festland her unsere Insel erreichen? Selbst das schnelle Schiff von Prinz Avid war eine ganze Woche lang auf See, um diese Strecke zurückzulegen! Und das auch nur bei gutem Wind!«
»Vielleicht gibt es Leute mit Flügeln?« Inna tastete nach Yoyos Arm. Er entgegnete nichts. Der Glaube an Wunder war ihm auf den Straßen der Sultansstadt schon lange abhanden gekommen.
Perk glitt geräuschlos zurück in das Versteck. Er grinste vielsagend.
»Kein Problem! Dort hinten ist ein Baum umgestürzt, die Krone liegt direkt an der Mauer und gibt eine wunderbare Leiter ab. Ich habe über die Mauer gesehen, in den Innenhöfen ist keine Menschenseele zu sehen!«
»Gut, gehen wir es an!« Yoyo wandte sich an Inna. »Wirklich wie früher, Inna?«
Sie lächelte. Oft genug hatte sie die Gefährten auf ihren kleinen Raubzügen begleitet. »Natürlich! Ich werde lauschen, und wenn sich etwas regt, warne ich euch mit dem Schrei des Falken!«
Die Kinder liefen zu dem Baum, den Perk als Einstiegshilfe ausgemacht hatte. Inna ließ sich von Yoyo in den Schatten der Mauer führen. Sie kauerte sich dicht an die kühlen Steinquader, hielt den Kopf schief und stieß einen ihrer Klicklaute aus.
»Ihr könnt gehen! Wenn der Falke dreimal schreit, höre ich etwas Verdächtiges!«, sagte sie zu Yoyo. Sie wusste jetzt ungefähr, welche Hindernisse in ihrer Nähe aufragten – die Einfriedung, der Baum, der Saum des kleinen Wäldchens. Der Junge legte sanft seine Hand auf ihre Wange, dann wandte er sich Perk zu, der schon in das Geäst der Silbereiche kletterte.
So einfach war es dann doch nicht, die Mauerkrone zu erreichen. Immer wieder mussten die beiden jungen Diebe morsche Äste umgehen, deren Brechen die Bewohner des Hofes hätten alarmieren können. Ein erster Blick in den Innenhof zeigte ihnen, dass sie es ganz gut getroffen hatten – unter Ihnen befand sich das Strohdach eines Unterstandes, auf das sie sich leicht herablassen konnten.
Lautlos glitten Yoyo und Perk auf das Dach nieder und legten sich sofort flach auf den Bauch, um über die Kante hinweg den ganzen Hof auszuspähen. Nichts regte sich dort unten. Mit einem leisen Plätschern floss aus einem Brunnenrohr Wasser in einen großen Trog, aus dessen Überlauf wurde ein kleiner gepflasterter Bachlauf gespeist, der sich in einem kleinen Durchlass in der gegenüberliegenden Mauer verlor.
»Es ist nur der Wirtschaftshof!«, raunte Perk. »Der Garten befindet sich hinter der anderen Mauer!«
»Das ist gut! Die Tauben werden bestimmt auch bei den anderen Tieren gehalten!«
»Kann man nicht wissen! Manchmal stecken die Viecher auch in großen Zierkäfigen im Haus oder zwischen den Blütensträuchern! Reiche Leute haben komische Marotten!« Perk tastete nach dem vorderen Dachbalken, umfasste ihn fest und ließ sich auf den Hof hinab. Leise knirschte Kies unter seinen Sohlen. Besorgt starrte Yoyo auf die Türen und Tore ringsum. Aber noch immer war keine Menschenseele zu hören oder zu sehen. Er folgte Perk, der sich inzwischen dicht an die Wand des Schuppens gedrückt hatte.
»Wo sind die nur alle?«, flüsterte er kaum hörbar.
»Vielleicht kommen die meisten Diener nur auf den Hof, wenn die Herrschaft anwesend ist!« Yoyo deutete auf ein offenes Tor, aus dem leise Geräusche drangen.
»Pferde!
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