Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
sicher!«, erwiderte Kana-Tu.
»Sicher ist sie dort sicher!«, murmelte der alte Mann kaum hörbar. »Außer vor dir!«
Er verschwand mit einem missbilligenden Kopfschütteln.
»Gletschersee? Wo ist das?« Janica stupste mit ihrem Zeigefinger an Kana-Tus Brust.
»Weit im Nordland, Ma Che! Aber keine Angst, weder die wilden Kriegerstämme noch die Horden des Nordherrschers werden je diesen Ort betreten. Das Tal liegt geschützt zwischen einem Gletscher und einem See, der sich vor langer Zeit durch einen Felssturz anstaute. Durch die Berge ringsum führt nur ein schmaler Gämsenpfad, der zudem nur im Sommer begehbar ist. Ein einziger Bogenschütze könnte dort eine ganze Armee aufhalten. Aber was rede ich! Du wirst es ja bald selbst sehen!«
Kana-Tu griff nach dem Packen Kleidung, den Kajim bereitgelegt hatte.
»Komm’, Janica, du brauchst jetzt warme Sachen! Die Luft ist eisig über dem Ewigen Meer!«
»Hast du ein Schiff an der Küste liegen?« Janica betrachtete skeptisch die unförmige Hose, de Kana-Tu ihr entgegenhielt. Er grinste ein wenig schief.
»Nein, eine Bootsfahrt wäre das letzte, was ich mir wünschte! Du hast es noch immer nicht begriffen, wie wir hier wegkommen, ja? Egal, zieh’ das einfach über dein Gewand! Die Sachen sind aus den Haut von Salzrindern gemacht und werden den Wind von dir abhalten.«
»Immerhin muss ich mich nicht wieder vor dir ausziehen«, meinte Janica sarkastisch und streifte sich das schwere Kleidungsstück über. Sie war froh, dass die Seide das raue Leder von ihrer Haut fernhielt. Auf der Außenseite der Hose hatte man das Fell der Tiere auf dem Balg belassen, dichtes glattes Haar, das sich erstaunlich weich anfühlte.
»Hier, das ist viel zu groß! Die Hose fällt mir doch vom Leib!«, schimpfte sie und hielt den Bund mit beiden Händen fest.
Er lächelte sanft du ging zu Janicas Erstaunen vor ihr auf die Knie.
»Kein Problem, wir binden die Hose einfach mit einem Strick um deine Hüfte fest! Siehst du, das hält!« Er schlang das Hanfseil, das bei den Kleidungsstücken gelegen hatte, um ihren Leib und zurrte es mit zwei Knoten fest. Janica hielt den Atem an. Durch die dünne Seide hatte sie die Wärme seiner Hände auf ihrer Haut verspürt. Nun schob er auch noch zwei grob geschusterte Stiefel vor sie hin.
»Du kannst dich auf mich stützen, wenn du hier hineinsteigst!«
Janica blieb nichts anderes übrig, als ihm ihre Hände auf die nackten Schultern zu legen, während sie aus den arg ramponierten Pantoffeln schlüpfte und ihre Füße in die Stiefel schob. Das Innere des Schuhwerks war mit dicker Wolle ausgekleidet. Es fühlte sich gut an unter ihren Fußsohlen, aber sie achtete kaum darauf, denn unwillkürlich strichen ihre Finger ständig über die glatte Haut von Kana-Tus Schultern. Er stieß einen kleinen Seufzer aus und griff nach ihren Händen.
»Ma Che, das solltest du nicht tun!«, flüsterte er rau, erhob sich und hielt ihre Hände noch einen Augenblick lang fest, bevor er ihr eine Jacke aus dem gleichen ledrigen Material überwarf. Auch diese Kluft hing ihr viel zu groß von den Schultern, die Ärmel reichten weit über ihre Hände. Kana-Tu schob die Knebel auf der Vorderseite selbst in die kleinen Lederschlingen, um die Jacke zu schließen.
»Sieht gut aus! Jetzt noch die Mütze und die Handschuhe!«
»Willst du mich kochen?«, stöhnte Janica. Schon jetzt rollten ihr kleine Schweißperlen über die Stirn. Eindeutig, diese Kleider waren nicht für das milde Klima des Wasserlandes gedacht. Nichtsdestotrotz stülpte ihr Kana-Tu nun auch noch eine gefütterte Mütze über, die ihren Kopf umhüllte wie die Schale eine Nuss. Er band die Bänder der Kopfbedeckung sorgsam unter ihrem Kinn fest.
»Ich kann nicht mehr! Das ist viel zu heiß!«, japste die junge Frau.
»Nur noch die Handschuhe! Gleich sind wir fertig!« Er hielt ihr dicke Fäustlinge hin. Auch diese schnürte er an ihren Handgelenken fest, nachdem er die Jackenärmel ein kleines Stück aufgeschlagen hatte.
»Gut, Ma Che! Nun lass’ uns fliegen!«
»Fliegen?« Verständnislos sah sie ihn an.
Er grinste anzüglich: »Natürlich, du darfst mich jetzt reiten! Wie schade, dass du so dick verpackt bist!«
Kajim hatte die Torflügel weit geöffnet und schlenderte gelangweilt draußen auf dem Weg hin und her. Über dem Anwesen lag eine unheimliche Stille, man konnte die Grillen draußen im dürren Gras des Ödlandes zirpen hören. Janica tappte wie ein fettgefressener Bär neben Kana-Tu
Weitere Kostenlose Bücher