Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
ein. »Die Zeit wird kommen, da wir jemanden brauchen, der ein Schiff zu führen weiß!«
Perk gab ein gurgelndes Geräusch von sich, verkniff sich aber eine weitere Widerrede. Waja wandte sich nun an Yoyo.
»Kapitän Thalid, den die Brigantine Windjäger mit in die Tiefe riss, war der beste Kapitän, den Wasserland je hatte. Sein Wissen hatte er von seinem Vater Rhid, der vor Thalid für die Seidenhändler zur See fuhr. Dieser alte Mann steht nun ganz allein da. Du wirst in Nurripur bei Rhid leben und darauf achten, dass es dem Greis an nichts mangelt. Dafür wird er dich aus der Quelle seiner Weisheit trinken lassen. Außerdem ist der Verwalter des Handelshofes angewiesen, dich in den Sprachen des Festlandes und im Lesen, Schreiben und Rechnen zu unterrichten.«
Yoyos Augen bekamen einen verräterischen Glanz.
»Danke!«, sagte er leise.
»Ich danke Euch auch, Hohe Frau!« Inna ließ die Hände ihrer Freunde endlich los und verbeugte sich vollendet wie eine Dame von Stand vor Waja. Dann umarmte sie erst Perk, dann Yoyo und küsste die verlegenen Jungen zu allem Überfluss auch noch auf die schmutzigen Wangen.
»Perk, würdest du bitte unseren Kutscher suchen? Ich glaube, die Hohe Frau Waja ist jetzt müde und möchte nach Hause!«, sagte die Kleine dann hoheitsvoll zu dem Jungen. Er nickte verdattert und stob davon.
»Irgendwann, Yoyo, sehen wir uns wieder!« Innas Lächeln hatte etwas träumerisches, als sie mit Wajas Hilfe auf die Kalesche kletterte und auf dem weichen Polster Platz nahm.
Yoyo stand noch immer inmitten der Gasse der Fleischhauer, als der Fuhrmann längst gefunden und das Klappern der Pferdehufe und das Rasseln der Räder der Kutsche verklungen war.
47.Kapitel: Der Ritt auf dem Drachen
Das Tor zu dem Anwesen stand weit offen, sodass der Schimmel gleich hindurchpreschen konnte. Wie von Geisterhand schlossen sich die Torflügel hinter dem Reiter. Der Verwalter, ein hagerer Mann in den mittleren Jahren, schob den Riegel vor.
»Die Dienstboten sind alle aus dem Haus, wie Ihr befohlen habt!«, sagte er griesgrämig zu Kana-Tu, der im Moment vollauf damit beschäftigt war, den aufgeregten Hengst zu bändigen. Endlich brachte er das tänzelnde Pferd zur Ruhe.
»Komm’ her! Hilf’ der Frau!«, befahl er und ließ Janica vom Pferderücken gleiten. Der Verwalter fing sie auf, stützte sie, bis sie sicher auf den Beinen stand. Noch immer krallte sich der Vogel auf ihr fest. Langsam wurde die Taube lästig!
Kana-Tu schien ihre Gedanken lesen zu können.
»Onkel Kajim, ich glaube, du musst jetzt nicht mehr als Unschuldsbote fungieren!« Der junge Krieger schwang sich vom Pferd und pflückte die Taube von Janicas Schulter. Empört hackte das Tier mit seinem Schnabel nach dem Mann. Kana-Tu warf die Taube in die Luft. Hektisch flatterte der Vogel, flog schließlich in Richtung der Wohnräume davon, wo ihn Janica aus den Augen verlor.
»Versorge das Pferd, dann brauchen wir dich nicht mehr!« Kana-Tu drückte dem Verwalter, der noch immer ein Gesicht zog, als hätte er in eine Zitrone gebissen, die Zügel des Schimmels in die Hand. Dann fasste er nach Janicas Hand und zog sie mit sich. Der Raum, den sie betraten, kam ihr sehr bekannt vor. In diesem Saal hatte Kajim sie an den Sklavenhändler verschachert. Janica zuckte unwillkürlich zurück.
Sanft schob Kana-Tu seinen Arm um ihre Hüfte.
»Schlechte Erinnerungen? Keine Sorge, den guten Hanad haben wir heute nicht zum Essen geladen! Ich habe dir einen kleinen Imbiss bereitstellen lassen, Janica! Du solltest etwas essen, bevor wir aufbrechen!«
Die Prinzessin sah kopfschüttelnd auf die Silberplatte, auf der sich Früchte, Fleisch und Brot türmten. Die Menge der Speisen hätte ausgereicht, eine zehnköpfige Familie eine ganze Woche durchzufüttern.
»Ich kann jetzt nichts essen, Kana-Tu! Glaub’ mir, wenn man auf dem eigenen Scheiterhaufen steht, schlägt das auf den Magen!«
»Papperlapapp! Du musst die Trauben kosten, die sind köstlich!« Kajim schlurfte herein, warf ein Bündel Kleidung auf den nächstbesten Stuhl und angelte sich einen Pfirsich vom Tisch, in den er so heftig hineinbiss, dass ihm der Saft aus den Mundwinkeln rann. Der Alte sah ziemlich zerzaust aus, seine grauen Haarbüschel standen ihm nach allen Seiten vom Kopf ab und statt der prächtigen Kleidung, in der er vor noch gar nicht langer Zeit mit dem Sklavenhändler verhandelt hatte, trug er einen schlichten Kittel und weite Hosen aus dem Janica nunmehr bestens
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