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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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zwischenfälle bei sanlitunfabriken untersucht. er ist selbst verärgert und enttäuscht. er sagt, wir müssen geduld haben. solange es kein untersuchungsergebnis gibt, können wir nichts machen. von einer klage oder einer veröffentlichung im internet hält er nach wie vor nichts. er sagt, gegen die partei können wir nicht gewinnen. ich sage, ich will auch gar nicht gegen die partei gewinnen, ich kämpfe gar nicht gegen die partei, politik interessiert mich nicht. hat mich noch nie interessiert. papa und ich wollen nur, dass die menschen bestraft werden, die das gift in den see geleitet haben, und die verantwortlich sind für mamas krankheit und die der anderen im dorf. er rede immer vom »neuen« china, habe ich ihm gesagt, das kann sich doch nicht nur auf die neuen häuser, neuen brücken, neuen autobahnen, neuen fabriken beschränken, oder? im »neuen« china muss es doch möglich sein, dass schuldige für ihre fehler zur rechenschaft gezogen werden. sonst ist mir das »neue« ziemlich egal, weil es so elendig viel ähnlichkeit mit dem »alten« hat. er wurde ganz kleinlaut, so kenne ich meinen bruder gar nicht. ich hätte ja recht, hat er gesagt (ich weiß gar nicht, wann ich das von ihm zum letzten mal gehört habe), aber so weit sind wir eben noch nicht. eines tages wird es so weit sein, davon sei er überzeugt. wenn ich das schon höre. eines tages!!! entweder gerechtigkeit ist wichtig oder nicht. wenn nicht, dann brauche ich sie auch eines tages nicht, wenn doch, warum dann nicht heute, hier und jetzt? er meinte, ich hätte zu viel zeit mit dir verbracht. da wurde
ich richtig wütend. als ob ich nicht allein auf solche gedanken kommen könnte. ich werde mich jetzt hinsetzen und einfach mal aufschreiben, was wir wissen, erlebt und recherchiert haben. ich schicke dir dann den text. vielleicht kannst du ihn ergänzen. sobald er fertig ist, stelle ich ihn ins netz. hab übrigens den termin zum vorspielen bei den symphonikern verschoben. im moment habe ich nicht die ruhe dafür. eine dritte chance bekäme ich nicht. wär schön, von dir zu hören oder dich mal wieder in shanghai zu sehen.
    einsame grüße,
    yin-yin
    Â 
    Betreff: sanlitun-text
Empfangen: 3:44
    hi paul,
    in der anlage schicke ich dir den text über meine mutter, unser dorf und sanlitun. hat länger gedauert als gedacht. selbst beim schreiben hat es wehgetan. ich bin so wütend, dass es gut tut, alles aufzuschreiben. habe ihn lu, meiner mitbewohnerin, gezeigt, sie ist so empört, dass sie am liebsten gleich eine e-mail an sanlitun, den bürgermeister von yiwu und am besten noch an unseren premierminister wen jiabao oder gleich das ganze politbüro geschrieben hätte. bitte korrigiere oder ergänze ihn nach belieben. ich bin ein bisschen nervös, ich bin keine heldin, bestimmt nicht. ich will nur meinem vater helfen. ich sage mir: was soll passieren?
    Yin-Yin

    Â 
    Paul saß auf der Terrasse, neben sich eine Kanne Tee und eine Schale mit Litschis; er öffnete das angehängte Dokument mit einem unguten Gefühl, überflog es und war sogleich beruhigt. Ein brillanter Text. Fakten und Beschreibungen stimmten, er war sachlich geschrieben, die Geschichte der Krankheit Min Fangs trotzdem so bewegend erzählt, dass ihn selbst jetzt, mit etwas Abstand, wieder die Wut packte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Lektüre jemanden gleichgültig lassen würde. Er las ihn ein zweites Mal und suchte nach Stellen, in denen Yin-Yin möglicherweise Hinweise auf ihre Identität preisgab; auch hier hatte sie hervorragend gearbeitet. Es war unschwer zu erkennen, dass der Autor oder die Autorin mit den Zuständen im Dorf gut vertraut war, mehr jedoch nicht. Die Wandlung, die Yin-Yin seit dem ersten Gespräch über die Ursache der Krankheit ihrer Mutter durchgemacht hatte, war erstaunlich. Er bewunderte die Ausdauer und Hartnäckigkeit, mit der sie die Geschichte nun vorantrieb.
    Paul ging ins Haus, druckte den Text aus, bearbeitete ihn ein wenig und antwortete Yin-Yin.
    Â 
    Betreff: Sanlitun-Verbrechen
    Hi Yin-Yin,
    mein Glückwunsch, Dein Text ist gelungen, mehr als gelungen. Er wird seine Wirkung nicht verfehlen. Ich habe meine Änderungsvorschläge eingefügt und schicke ihn Dir in der Anlage. Auch wenn Du keine Heldin sein möchtest, so kannst Du Dir meines Respekts sicher sein. Ich finde es bewundernswert, was Du

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