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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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die beiden Männer. »Wenn Yin-Yin gewollt hätte, dass einer von Ihnen Bescheid weiß, hätte sie es Ihnen erzählt, oder nicht?«
    Â»Sie sind ein selbstgerechtes Arschloch«, entfuhr es Weidenfeller.
    Xiao Hu musterte ihn nachdenklich, Paul war unsicher, ob er über die Logik hinter seiner Argumentation nachsann, oder ob er Weidenfellers Meinung teilte. Er nahm einen großen Schluck Whiskey, betrachtete die Eiswürfel im Glas, wartete einen Moment, um es dann mit einem zweiten Schluck zu leeren.
    Â»Noch einen?«, fragte Weidenfeller.
    Â»Gern. Danke.« Yin-Yins Bruder räusperte sich. »Ich habe heute Morgen erfahren, dass meine Schwester verhaftet worden ist.« Sein Blick flog von einem zum anderen, er atmete tief ein und laut seufzend wieder aus. »Sanlitun will sie wegen Verleumdung und Rufschädigung verklagen. Sie verlangen Schadensersatz.«
    Â»Das … das ist nicht ihr Ernst«, stotterte Paul. » Die wollen uns verklagen?«
    Â»Nicht Sie, Herr Leibovitz«, erwiderte Xiao Hu mit gepresster Stimme. »Meine Schwester. Das ist ein entscheidender Unterschied.«
    Â»Den hat er nicht begriffen«, rief Weidenfeller dazwischen. »Das ist das Problem.«
    Â»Der Prozess«, fuhr Yin-Yins Bruder fort, ohne ihn zu beachten, »würde vermutlich in Hangzhou oder Yiwu stattfinden. Sie hätte keine Chance. Sie wäre bis an ihr Lebensende ruiniert.«
    Paul vergrub den Kopf in den Händen. Ihm wurde schwindelig. Für einen Moment hatte er das Gefühl, auf einem kleinen
Boot zu sitzen, das von hohen Wellen hin- und hergeschaukelt wurde. Er konnte nicht glauben, was er hörte. Der Täter will vom Opfer Schadensersatz.
    Â»Wenn wir keinen Fehler machen, gibt es einen Ausweg«, hörte er Xiao Hu sagen. »Ein hoher Parteifunktionär hat sich auf meine Bitte hin für sie eingesetzt. Der Konzern ist bereit, auf die Klage zu verzichten und meinen Eltern sogar mit etwas Geld zu helfen. Dafür muss Yin-Yin ihre Vorwürfe zurücknehmen, und mein Vater darf die Sache nicht weiterverfolgen.«
    Â»Das ist ein Hohn, das kann nicht sein«, sagte Paul. Er bekam Herzklopfen vor Wut.
    Â»So ist es aber, ob Sie es gut finden oder nicht«, sagte Xiao Hu.
    Die drei Männer tranken fast gleichzeitig und blickten sich stumm an.
    Â»Ich möchte«, durchbrach Yin-Yins Bruder das Schweigen, »Sie um einen Gefallen bitten.«
    Paul sah, wie schwer ihm der Satz gefallen war. »Was kann ich tun?«
    Â»Sie müssen mit meinem Vater reden.«
    Â»Ich?«
    Â»Ja. Nach allem, was mir Yin-Yin erzählt hat, schätzt er Sie. Ich habe kein gutes Verhältnis zu ihm. Wir sprechen kaum miteinander. Er vertraut mir nicht. Auf Yin-Yin würde er hören, aber sie kann ja jetzt nichts machen.«
    Â»Was soll ich ihm sagen?«
    Â»Sie müssen ihn davon überzeugen, dass er das Angebot von Sanlitun unter allen Umständen annehmen muss. Und dass er Yin-Yin einen Brief schreibt und ihr sagt, dasselbe zu tun.«
    Â»Das können Sie nicht von ihm erwarten«, platzte es aus Paul heraus. »Soll er sich bei den Verbrechern, die seine Frau
zum Krüppel gemacht haben, noch für ihre Wohltätigkeit bedanken?«
    Â»Bedanken nicht. Aber meine Familie muss schriftlich versichern, dass sie in Zukunft auf alle eventuellen Schmerzensgeldforderungen oder Entschädigungen verzichtet.«
    Â»Das kann er nicht. Darum dürfen Sie ihn nicht bitten.«
    Â»Welche Alternativen haben wir?«
    Paul hielt es nicht mehr auf dem Sofa. Er stand auf, lief einige Male im Kreis, wie ein Tier in einem Käfig, trat ans Fenster. Vor ihm lag das nächtliche Shanghai. Ein ruheloses Meer von Lichtern. Flackernde Neonreklamen, die für Parfüms, Bier und Computer warben. Taghell erleuchtete Baustellen, aus denen Dutzende von Kränen ragten. Auf den Straßen unter ihm sah er den endlosen Strom von Autos und Fußgängern vorüberziehen. Ihm wurde übel. Das Angebot war nicht nur zynisch, es war in einem tiefen, wahren Sinn böse, ein besseres Wort fiel ihm nicht ein. Es zielte darauf, den Opfern ihre Würde zu nehmen, indem sie sich selbst verrieten. Wie um alles in der Welt sollte er Da Long überreden, sich auf den Handel einzulassen? Seine Fantasie reichte nicht aus, sich vorzustellen, was er an seiner Stelle tun würde.
    Er spürte, wie die beiden Männer ihn von hinten beobachteten, drehte sich wieder

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