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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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erinnerte, er hatte breite Schultern, hellblaue Augen und kurz geschorene Haare, die seinen Zügen einen energischen, harten Ausdruck verliehen. Eine Strenge, die nicht zu seiner weichen, leicht
nasalen Stimme passte. Paul schätzte ihn auf Ende dreißig. Er trug Anzug, weißes Hemd, Krawatte und sah verschwitzt aus. Offensichtlich war er erst vor kurzem nach Hause gekommen.
    Er führte seinen Gast ins Wohnzimmer, einen großen Raum mit hohen Decken und weißen Wänden, der in einer Mischung aus modernen Möbeln, Kunst und chinesischen Antiquitäten eingerichtet war. Über zwei weißen Ledersofas hing ein fotorealistisches Gemälde der Verbotenen Stadt, gegenüber ein Flachbildschirm, auf dem tonlos CNN-Nachrichten liefen. In der Mitte des Zimmers standen ein alter chinesischer Schrank und eine Kommode, deren dunkelbrauner Lack im Licht glänzte. Hinter einem sechsteiligen Holzparavent, in den verschiedene Drachen und Szenen einer Hochzeit geschnitzt waren, lag eine Essecke.
    Â»Schöne Wohnung.«
    Â»Danke.«
    Â»Wo haben Sie die Antiquitäten her?«, fragte Paul beeindruckt.
    Â»Ich bin früher viel gereist und habe in den Provinzen eingekauft. Interessieren Sie sich für Jade?« Ohne eine Antwort abzuwarten, führte er ihn zu einer Vitrine, in der mehrere Dutzend Jadestücke lagen. Kleine Drachen, Tiger, Hunde und Ochsen in Blau, Orange, Pink und Lavendel, dazwischen Amulette, Ringe und Mundstücke von Opiumpfeifen.
    Â»Die schönsten Stücke meiner Sammlung«, sagte Weidenfeller und holte ein hellgrünes, rechteckiges Stück heraus. Es hatte die Größe seines Handtellers und zeigte einen Drachen mit großem Maul und verschlungenem Schwanz. »Das diente als Gürtelschnalle. Sie stammt aus der Tang-Dynastie. Über tausend Jahre alt.«
    Paul nickte anerkennend, obgleich er sich für Jade nicht
sonderlich interessierte. Vielleicht hatte er über Yin-Yins Freund etwas vorschnell geurteilt. Bei ihrem ersten Treffen war er ihm wie einer dieser typischen Manager vorgekommen, die eine Zeit lang in China arbeiteten, dort möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen wollten, in Beijing oder Shanghai lebten, ohne etwas vom Rest des Landes zu kennen, für das sie sich ohnehin nicht interessierten.
    Â»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Weidenfeller und legte den Stein zurück. »Whiskey? Gin Tonic? Einen Martini vielleicht oder ein Bier?« Er öffnete den Schrank, in dem sich eine Hausbar mit mindestens zwei Dutzend Flaschen hartem Alkohol verbarg, und schenkte sich großzügig einen Whiskey ein.
    Â»Nein danke, später vielleicht«, erwiderte Paul. »Oder doch. Ein kaltes Bier, wenn Sie eins haben.«
    Â»Sonst würde ich es nicht anbieten«, sagte sein Gastgeber und verschwand kurz in der Küche. »Ein deutsches Beck’s. Ich hoffe, das ist Ihnen recht.«
    Paul nahm auf einem Sofa Platz und beobachtete Weidenfeller. Der hockte sich auf einen Stuhl, stützte die Ellenbogen auf die Knie, schwenkte den Whiskey, trank einen kräftigen Schluck und starrte die Wand an. Er atmete schwer. Als erinnere er sich jetzt wieder an den Grund für Pauls Besuch.
    Â»Haben Sie etwas herausgefunden?«, fragte er nach einer Weile.
    Â»Nein, leider noch nicht. Ich fahre morgen nach Yiwu, dort …«
    Â»Es ist Ihre Schuld«, unterbrach ihn Weidenfeller barsch. »Das wissen Sie hoffentlich.«
    Paul seufzte tief. Eine solche Anklage hatte er befürchtet und sich vorgenommen, darüber gar nicht erst zu diskutieren. »Hören Sie, ich möchte mich mit Ihnen nicht streiten.«

    Â»Sie haben Yin-Yin völlig verrückt gemacht.«
    Â»Sie ist eine erwachsene Frau. Sie wusste, was sie tat«, widersprach Paul gereizt. Er hatte nicht die Absicht, sich zu rechtfertigen.
    Â»Hören Sie endlich mit Ihrer Klugscheißerei auf«, fuhr Weidenfeller ihn an. »Es ist immer dasselbe mit beschissenen Gutmenschen wie Ihnen. Sie mischen sich in etwas ein, ohne davon die geringste Ahnung zu haben. Richten nur Unheil an und behaupten am Ende noch, nur das Beste gewollt zu haben. Zum Kotzen.«
    Â»Sie irren sich«, antwortete Paul. »Ich kenne dieses Land seit über dreißig Jahren und …«
    Â»Kommen Sie mir nicht mit dieser Leier. Seit über dreißig Jahren? Noch schlimmer, denn offensichtlich haben Sie nichts begriffen. China ist nicht Europa. China ist nicht

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