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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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die Partei zugegeben hat, dass während der Kulturrevolution Fehler gemacht wurden. Mein Vater nicht. Er hat uns hintergangen. Ins Gesicht gelogen. Das vergesse ich ihm nicht.«
    Paul betrachtete Xiao Hu. Auf seinem Hals hatten sich rote Flecken gebildet; offensichtlich gehörte er zu jenen Chinesen, die Alkohol nicht vertragen und schon auf geringe Mengen mit Hautreizungen reagieren. Er sah müde aus und blass, aber in seinen Zügen hatte das Leben bisher kaum Spuren hinterlassen. Paul wusste nicht, was er noch sagen sollte. Ihn erinnern, dass es Zufall war und kein Verdienst, dass er 1974 geboren wurde und nicht fünfzehn Jahre früher? Dass dieser junge Mann, nach chinesischer Zeitrechnung, zu einer glücklichen Generation gehörte, wie es sie in diesem Land seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben hatte? Die nichts als Wachstum und langsam steigenden Wohlstand kannte, und der die grausamen Entscheidungen, die ihre Eltern treffen
mussten, bisher erspart geblieben waren. Im vergangenen Jahr hatte Paul erfahren, dass sein bester Freund, David Zhang, während der Kulturrevolution Beihilfe zu einem Mord geleistet hatte. Ein Verbrechen, das Zhang dreißig Jahre verheimlicht hatte. Seiner Frau und auch Paul gegenüber. Er hatte das als Verrat an ihrer Freundschaft empfunden und erst langsam eingesehen, dass es ihm nicht zustand, seinen Freund zu richten. Wer konnte mit Sicherheit sagen, wie er sich während der Kulturrevolution verhalten hätte? Ob er Opfer oder Täter gewesen wäre oder beides?
    Paul war nicht sicher, wer zu ihm sprach. Der Enkel, der die Umstände des Todes seines Großvaters betrauerte? Der verletzte und enttäuschte Sohn, weil der bewunderte Vater auch ein Verräter war? Trauer hätte Paul verstanden, die selbstgerechte Empörung, die er in Xiao Hus Stimme hörte, nicht. Musste er ihn darauf hinweisen, dass er zu ebenjener Partei gehörte, die verantwortlich war für ein System, das jetzt seine Schwester einsperrte; das Menschen vor so schwierige Entscheidungen stellte, wie sie Da Long und Yin-Yin nun zu treffen hatten? Aber er wollte mit ihm in diesem Moment kein Gespräch über Moral, über Gut und Böse, Vertrauen und Verrat und die Legitimität des Führungsanspruchs der KP Chinas führen.
    Â»Wer unbeschadet bleibt, hat nicht gelebt«, sagte er schließlich.
    Â»Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?«, fragte Xiao Hu überrascht und verärgert.
    Â»Nein.«
    Â»Ich verstehe Sie nicht.« Es lag mehr als ein Anflug von Resignation in seiner Stimme.
    Â»Das müssen Sie auch nicht.«
    Â»Werden Sie trotzdem mit meinem Vater reden?«

    Â»Ja. Ich werde ihm das Angebot oder die Drohung Sanlituns und welche Konsequenzen eine Ablehnung hätte genau erklären. Entscheiden muss er selbst. Weiß Da Long, was mit Yin-Yin geschehen ist?«
    Â»Von mir nicht.«
    Â»Kann er sich darauf verlassen, dass sie wirklich freikommt, wenn er die Bedingungen erfüllt?«
    Â»Ja.«
    Â»Sicher?«
    Â»Selbstverständlich«, versicherte Xiao Hu wenig überzeugend. Die roten Flecken auf seinem Gesicht breiteten sich aus.
    Es war eine dumme, überflüssige Frage gewesen. Was sonst hätte er antworten sollen?
    Â 
    Paul winkte auf der Huaihai Zhong Lu ein Taxi heran. Sobald er im Wagen saß, sackte er in sich zusammen, als hätte jemand auf ihn eingeprügelt. Der Fahrer hatte Mühe, den Namen des Hotels zu verstehen, in das sein Gast wollte. Nach einer Viertelstunde hatte er sich ein wenig erholt; kurz vor dem Hotel änderte er sein Ziel und ließ sich in die nahe gelegene Zhapu Lu bringen. Es war zu früh, um schlafen zu gehen, ihm graute vor der Einsamkeit seines Zimmers; er hatte Durst und wollte unter Menschen sein.
    Die Zhapu Lu war eine Vergnügungsmeile voller Restaurants, Kneipen, Karaokebars, Geschäfte und Kioske. Vor den Häusern hingen rote Lampions, aus den Lokalen drang laute Musik, es roch nach Gebratenem, nach Reisschnaps und Zigaretten. Paul blieb vor einer Garküche mit mehreren radgroßen Bambuskörben stehen, aus denen es zischte und dampfte. Er blickte sich um, ob er beobachtet wurde, aber hatte den Eindruck, dass sich niemand für ihn interessierte.
Eine untersetzte Frau mit roten Wangen stand hinter den Bambuskörben und verkaufte gedämpfte, mit süßem Schweinefleisch gefüllte Hefebrötchen. Er nahm eines, es schmeckte so gut, dass er gleich

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