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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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lange qualvolle Nacht darüber nachgedacht, die Idee jedoch am nächsten Morgen wieder verworfen. Freiwillig aus dem Leben schieden nur Menschen, die keine Hoffnung mehr kannten. Zu denen gehörte er damals noch nicht. Außerdem wollte er sich nicht anmaßen, für seine Frau zu entscheiden, und seine Kinder allein lassen. Jetzt war es etwas anderes. Ein wichtiger Teil der Bedingung für Yin-Yins Freilassung wäre beim Tod ihrer Eltern hinfällig. Was den anderen Punkt betraf, da konnte er ihr nicht helfen; ob sie die Vorwürfe zurücknahm oder nicht, musste sie selber entscheiden. Er zögerte in seinen Überlegungen. Der Gedanke, Yin-Yin allein zurückzulassen, schmerzte ihn am meisten. Aber sie war bald dreißig. Sie würde heiraten und irgendwann selbst ein Kind bekommen. Min Fang war ihr keine Hilfe mehr. Wie lange konnte er für sie sorgen? Was würde geschehen, wenn er selbst erkrankt? Vor Min Fang stirbt? Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihrer Tochter zur Last fallen würden.
    Wie fällt der Beschluss zu sterben? Innerhalb von Stunden oder gar von einem Augenblick zum anderen, weil wir keinen
Ausweg mehr sehen? Oder bahnt er sich über Wochen an, über Monate, vielleicht Jahre, ohne dass wir uns dessen bewusst sind? Wie wird ein Mensch des Lebens müde? Da Long hatte keine Antworten auf diese Fragen, er war keiner, der sich mit den möglichen Umständen seines Todes viel beschäftigt hatte. Sein Wunsch war es gewesen, noch möglichst viel Zeit mit seinen zukünftigen Enkeln zu verbringen und am Ende nicht leiden zu müssen. Schnell sollte es gehen, und Min Fang sollte an seiner Seite sein. Die Idee, dass es Umstände geben könnte, in denen er seinem Leben selbst ein Ende bereiten wollte, war ihm bisher nicht gekommen. Nun fühlte er sich geradezu erleichtert bei dem Gedanken.
    Wie könnte er es anstellen? Er musste sichergehen, dass keiner von ihnen überlebte und sie keine Schmerzen litten. Mit dem Messer? Er würde es niemals fertig bringen, Min Fang die Pulsadern aufzuschneiden. Ihr körperliche Gewalt anzutun. Da Long durchsuchte die Dose mit den Medikamenten. Schmerztabletten, krampflösende Mittel, nicht genug, um sie beide umzubringen. Wären sie gesund, könnten sie sich auf die Schienen der Bahn legen, aber die waren zu weit weg; nie würde er es schaffen, sie bis dahin zu schleppen. Rattengift? Eines der Pestizide, die im Schuppen lagerten? Er hatte gelesen, dass Bauern, die sich damit umbrachten, einen qualvollen Tod gestorben waren.
    Da Long hatte eine andere Idee. Er stand auf, schritt langsam durch den Raum und blickte sich prüfend um. Zu groß. Zu viele Fenster. Zu viele Türen. Für sein Vorhaben war er ungeeignet. Er überlegte und ging dann in die kleine, schmale Küche, in der gerade Platz für den Herd, den alten Ofen, die Spüle und ein Regal war. Ein Fenster. Zwei Türen. Er begutachtete das Fenster, fuhr mit seinen langen Fingernägeln durch die Ritzen des Holzrahmens. Er war alt und
undicht, genauso wie der Türrahmen nach draußen. Nichts, was nicht zu beheben wäre. Da Long holte eine Schere, Handtücher, Decken und Pullover, begann, einige davon in Stücke zu schneiden und die Rahmen abzudichten. Sorgfältig drückte er die Stoffe mit einem Schraubenzieher in jeden noch so kleinen Spalt und schichtete weitere Lagen darüber. Er öffnete die Tür zum Hof, legte dünne Tücher dazwischen, so dass es ihn alle Kraft kostete, sie wieder zu schließen. In die Schlüssellöcher stopfte er Fetzen eines Geschirrtuchs.
    Da Long, wo bist du? Was tust du? Ich höre dich in der Küche hantieren, aber es sind keine Geräusche, die ich einordnen könnte. Du klapperst nicht mit den Töpfen. Du spülst kein Geschirr. Du bist schon so lange fort, und du weißt, wie schlecht ich es ertrage, ohne dich zu sein. Schon immer. Komm zu mir. Setz dich wieder aufs Bett. Erzähl mir, was du machst. Erzähl mir irgendetwas. Lies mir vor. Ich brauche deine Stimme. Ich brauche dich.
    Zwischendurch ging er zu Min Fang, flößte ihr Wasser ein, hielt ihr die Hände, die ihm kälter erschienen als sonst. Für einen Moment kamen ihm Zweifel: Durfte er tun, was er tat? Durfte er sich zum Herrn über Leben und Tod erheben? Er konnte seine Kinder nicht um Rat und seine Frau nicht um ihr Einverständnis fragen. War es ihm erlaubt, für sie zu

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