Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
Vom Netzwerk:
Vertretung im Büro organisieren und jemanden, der sich um ihren Sohn kümmerte. Paul war ein anderes Tempo gewohnt.
    Sie erwachte erst, als sie die Reiseflughöhe verließen.
    Â»Entschuldige«, sagte sie und gähnte. »Ich war todmüde.«
    Â»Du hast nicht viel verpasst.«
    Sie richtete sich auf, streckte sich und band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. In solchen Momenten sah sie aus wie ein junges Mädchen.
    Â»Wie fühlst du dich?«
    Sie blickte ihn an und lächelte. »Du meinst, ob ich noch müde bin?«
    Â»Nein, ob du aufgeregt bist. Angst hast. Dich freust. Ob...«

    Â»Ich weiß, was du wissen möchtest«, unterbrach sie ihn und zögerte mit der Antwort. »Du stellst seltsame Fragen manchmal.«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Kein chinesischer Mann würde mich das fragen. Zumindest keiner, den ich kenne.«
    Â»Warum nicht?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht, weil wir Worten nicht so viel Gewicht beimessen. Vielleicht, weil es uns nicht in den Sinn kommt. Vielleicht, weil wir glauben, dass der andere es auch ohne Fragen sagt - wenn er möchte, dass wir es wissen.«
    Â»Antwortest du mir trotzdem?«, sagte er, unsicher, ob er den letzten Satz als Kritik auffassen sollte.
    Â»Gern.« Sie überlegte. »Wie fühle ich mich? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Von allem etwas, vermute ich.«
    Â»Was überwiegt?«
    Â»Nichts überwiegt, wenn du es so genau wissen willst. Ich habe keine Angst um meine persönliche Sicherheit, jedenfalls nicht, solange du bei mir bist. Ich bin aufgeregt, weil ich nicht weiß, was uns erwartet, in welchen Schwierigkeiten Da Long steckt, ob wir ihm helfen können. Aufgeregt ja, aber nicht unangenehm. Freue ich mich?« Sie schaute ihn an, als wüsste er die Antwort auf ihre Frage. »Vermutlich, aber nicht in dem Sinne von freudiger Erwartung. Ich treffe nicht meinen Bruder wieder, den ich vor zehn Jahren zuletzt gesehen habe. Ich treffe einen Fremden und seine Familie, von dem ich weiß, dass er mein Bruder ist. Das ist etwas ganz anderes, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Paul nickte.
    Â»Und«, fuhr sie fort, »ich gebe zu, es ist ein gutes Gefühl
zu wissen, dass wir in achtundvierzig Stunden wieder auf dem Weg nach Hongkong sind.«
    Der Pilot brachte die Maschine mit einer außergewöhnlich sanften Landung zurück auf die Erde. Sie gehörten zu den Letzten, die das Flugzeug verließen, Christine hatte es offenbar, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, nicht eilig. Je näher sie der Passkontrolle kamen, desto langsamer ging sie.
    Die Nervosität in ihrem Gesicht. Sie standen schweigend in der Warteschlange vor den Schaltern, Paul versuchte, sie mit einem Lächeln aufzumuntern, aber Christine reagierte nicht. Ihr Blick wanderte durch die Halle, sie musterte die anderen Reisenden, suchte die Decken nach Videokameras ab, beobachtete den jungen Mann in seiner blauen Uniform, dem sie gleich ihren Ausweis geben sollte. Als beträte sie Feindesland. Sie wollte vor Paul gehen, so dass er ihr, falls es Probleme geben sollte, zu Hilfe kommen könnte.
    Der Beamte interessierte sich nicht für ihre Ängste, er blickte nur kurz auf, prüfte die Papiere und gab ihr den Ausweis zurück. Auch Pauls Einreise dauerte nicht einmal eine Minute. Ihre kleinen Trolleys waren schon auf dem Förderband, der Zollbeamte winkte sie durch, ohne sie anzuschauen.
    In der Ankunftshalle drängelten sich die Wartenden. Christine hatte Yin-Yin gebeten, sie nicht vom Flughafen abzuholen; sie würden mit dem Taxi zum Hotel fahren und sie dort morgen früh um acht Uhr erwarten. Paul und Christine gingen durch das Menschenspalier, und obwohl niemand sie erwartete, hatten beide das Gefühl, von Dutzenden von Augenpaaren gemustert und beobachtet zu werden. Christines Schritte wurden zögerlicher, und Paul schob sie behutsam Richtung Ausgang.
    Draußen war es wärmer als in Hongkong, aber nicht ganz
so feucht. Aus der langen Reihe der Taxis erwischten sie ausgerechnet eines, dessen Klimaanlage nicht funktionierte. Der Wagen stank trotz der offenen Fenster nach kaltem Rauch, Paul versank tief in der durchgesessenen Rückbank, er spürte jede Sprungfeder. Am Rückspiegel baumelte als Glücksbringer ein Mao-Bild, der Mann hinter dem Lenkrad sog an einer erloschenen Zigarette. Sie bogen auf die Schnellstraße

Weitere Kostenlose Bücher