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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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die bis auf die letzte Reihe besetzt waren.
    Sie überließ ihm den Fensterplatz, der Pilot begrüßte sie an Bord, kündigte einen ruhigen Flug und eine pünktliche Landung an, die Stewardessen waren mit ihren Routinetätigkeiten beschäftigt, die Passagiere machten es sich in ihren Sesseln bequem. Paul beneidete Menschen, die bereits kurz nach dem Start in einen tiefen Schlaf verfielen, ein Buch lasen, Karten spielten oder so entspannt einen Film im Bordkino anschauten, als säßen sie zu Hause auf dem Sofa. Fliegen war, ob mit oder ohne Furcht, eine Qual.
    Sein Sitz klemmte. Die Tasche im Vordersitz hatte einen tiefen Riss. Ein Leselicht in der Reihe vor ihm funktionierte nicht. Lappalien, die außer ihm vermutlich kaum jemanden interessierten, aber für Paul waren das Hinweise auf die Gründlichkeit, mit der die Maschinen gewartet wurden. Keine guten Zeichen. Er blickte misstrauisch aus dem Fenster.
    Sie rollten Richtung Startbahn, Christine holte eine kleine Schachtel aus ihrer Tasche und gab sie ihm. Darin lag ein Amulett aus tiefroter Jade in Form eines kleinen Drachen, seinem Sternzeichen. Es hing an einem rotbraunen Lederband, war kaum größer als der Nagel seines Daumens, fein geschliffen und so dünn, dass es fast transparent wirkte, wenn er es gegen das Licht hielt. Obgleich er von Jade nicht viel verstand, sah er sofort, dass es alt und vermutlich ziemlich kostbar war.
    Â»Rot und aus Jade. Wie Meister Wong es empfohlen hat«, sagte sie. »Du weißt, was der Drache uns bedeutet: Er ist eine Schutzmacht und ein Symbol des Glücks. Er kann sich unsichtbar machen, bewohnt den Himmel, das Meer, die Flüsse, den Regen, und selbst im Nebel ist er zu Hause. Er wird auf dich aufpassen.«

    Â»Es ist wunderschön. Vielen Dank.« Er gab ihr einen Kuss. »Woher hast du ihn?«
    Â»Von meiner Mutter. Sie hat ihn mir vor vielen Jahren geschenkt. Er gehörte meinem Vater.«
    Â»Deinem Vater?« Paul zuckte zusammen. »Er hat ihm kein Glück gebracht.«
    Â»Er trug ihn nicht. Mein Vater lehnte chinesische Astrologie als dummen Aberglauben ab. Er hatte ihn von seinem Vater bekommen. Der glaubte fest an den Einfluss der Sterne und war Drache wie du.«
    Â»Hat es ihm genützt?«
    Â»Ich glaube schon. Er ist sehr alt geworden.«
    Â»Wie alt?«
    Â»Er starb mit vierundachtzig bei dem Versuch, einen viel zu breiten Fluss zu durchschwimmen. Seine Leiche wurde nie gefunden.«
    Â»Das spricht nicht unbedingt für die Schutzkraft des Amuletts.«
    Â»Das lag zu Hause. An dem Tag hatte er es vergessen.«
    Â»Das ist eine Familienlegende!«
    Â»Nein. Sonst hätten wir es nicht mehr.«
    Die Motoren heulten auf, sie wurden in ihre Sitze gedrückt. Christine nahm seine Hand, er wusste nicht, ob ihr unwohl war, oder ob sie sein Unbehagen fühlte. Sie schauten aus dem Fenster. Die Markierungslampen der Fahrbahn jagten immer schneller an ihnen vorbei, Paul spürte, wie sich die Nase der Maschine hob, wie der Luftsog sie plötzlich empor in den Himmel zog, als säßen sie in einem Fahrstuhl. Es war ein wolkenloser Abend, über ihnen funkelten Sterne, unter ihnen lag in der Dunkelheit das Südchinesische Meer, auf dem so viele Schiffe leuchteten, als hätte jemand einen Sack voll kleiner Diamanten auf einem schwarzen Filztuch ausgeschüttet.
Paul erkannte die Umrisse von Lamma, dahinter funkelte das gewaltige Lichtermeer Hongkongs.
    Er hängte sich das Amulett um den Hals, steckte es unter sein T-Shirt und war überrascht, wie angenehm warm es auf der Haut lag.
    Christine war eingeschlafen, er hob sanft ihren Kopf und schob ein Kissen darunter, legte eine Decke über ihre Knie, löschte die Leselampe, stellte vorsichtig ihren Sitz zurück. Er beneidete sie um ihre Fähigkeit, überall schlafen zu können, egal ob sie in der MTR, einem Taxi oder auf der Fähre saßen. Er hätte jetzt gern mit ihr über die kommenden zwei Tage geredet. Was genau hatte Yin-Yin gesagt, als Christine sie anrief? Hat sie nicht wenigstens Andeutungen gemacht über die Probleme ihres Vaters? Wusste sie nichts, oder wollte sie nichts sagen? Fragen, auf die vermutlich auch Christine keine Antwort hatte, aber ihm wäre wohler gewesen, er hätte mit ihr darüber reden können. In den vergangenen Tagen war ihm alles viel zu schnell gegangen, Flüge und Hotel buchen, Visum besorgen, Christine musste noch eine

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