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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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wieder.
    Â»Da Long.« Es fiel ihr schwer weiterzusprechen. »Es tut mir leid. Ich bin keine Ärztin.«
    Â»N-n-nein?« Er schaute sie noch immer nicht an. Hielt den Kopf gesenkt, als hätte er es geahnt. Sie war keine Ärztin.
    Â»Nein. Ich habe... die Zeiten waren sehr schwer... als wir in Hongkong ankamen...« Es war ihr nicht möglich, in zusammenhängenden Sätzen zu sprechen. Wie sollte sie es ihm erklären? Kinderwünsche. Ausgeträumt. »Ich habe nicht
Medizin studiert«, sagte sie schließlich, »ich habe ein Reisebüro.«
    Â»E-e-ein Reisebüro? D-d-du magst keine White Rabbit mehr und hast ein Reisebüro«, sagte er wie zu sich selbst.
    Sie wollte seine Hand nehmen, traute sich aber nicht. »Seit wann ist deine Frau krank?«
    Statt zu antworten blickte er auf ihre Finger und wippte unaufhörlich mit dem Oberkörper.
    Â»Noch nicht sehr lange«, antwortete Yin-Yin für ihren Vater. »Etwas mehr als zwei Monate ist es her. Sie war ein völlig gesunder Mensch, immer schon. Ich erinnere mich nicht, meine Mutter je krank erlebt zu haben. Nicht einmal eine Erkältung. Und plötzlich, von einem Tag auf den anderen...«
    Â»E-e-es fing mit einem Zittern an«, unterbrach Da Long seine Tochter. »Und mit Gleichgewichtsstörungen. Sie wankte. Als ich etwas sagte, wiegelte sie ab. Mir geht es gut. Mach dir keine Sorgen. Zwei Tage später hatte ich Mühe, sie zu verstehen. Sie sprach langsam und dehnte die Laute. Am Abend konnte sie die Stäbchen nicht mehr greifen, die Reisschale glitt ihr aus den Händen. Am nächsten Morgen bin ich mit ihr zum Arzt in die nächste Kleinstadt gegangen. Da ging es ihr plötzlich wieder gut, und sie war vergnügt wie immer. Kein Fieber. Kein Bluthochdruck. Zunge und Puls, alles normal. Wir waren kaum zu Hause, da bekam sie furchtbare Krämpfe. Ihr ganzer Körper bebte. Sie schrie vor Schmerzen. Sie fiel hin, wälzte sich auf der Erde, und ich, ich stand dabei und konnte ihr nicht helfen.«
    Da Long schwieg. Er hatte schnell gesprochen, Paul war mit dem Übersetzen kaum nachgekommen, Christine war aufgefallen, dass sich der Sprachfehler verflüchtigte, je länger ihr Bruder redete. Yin-Yin goss Tee nach, und er fuhr fort: »I-i-ihre Glieder wurden taub. Mit einem Taxi habe ich sie
sofort ins Krankenhaus nach Yiwu gebracht. Da lag sie drei Wochen, die Ärzte machten alle möglichen Tests, sie bekam verschiedene Medikamente, aber ihr Zustand verschlimmerte sich nur. Sie konnte nicht mehr sprechen. Sie konnte nichts mehr sehen. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Die Ärzte sagen, sie kann auch nichts mehr hören, das glaube ich nicht. Irgendwann haben sie gesagt, sie könnten nichts mehr für sie tun. Ein Pflegefall. Im Krankenhaus hätten sie keinen Platz dafür. Ich solle sie wieder mit nach Hause nehmen. Sie brachten sie mir in einem Krankenwagen und legten sie hier ins Bett. Sie haben sie aufgegeben. Kannst du dir das vorstellen, Mei-mei? Einen Menschen, der atmet, aufgeben? Ich nicht, habe ich ihnen gesagt. Ich gebe meine Frau nicht auf. Ich sei verrückt, sagten die Ärzte. Es täte ihnen leid, ein schwerer Schicksalsschlag, gewiss, aber ich müsse den Tatsachen ins Auge sehen. Alle ihre Tests bewiesen die Ausweglosigkeit der Lage. Keine Hoffnung. Aber, kleine Schwester, ein liebendes Herz gibt niemals auf. Niemals. Ein liebendes Herz akzeptiert nicht einmal den Tod. Min Fang isst. Sie trinkt. Sie verdaut. Sie lebt! Warum soll sie nicht eines Tages auch wieder sprechen und sehen können? Wer weiß das schon? Sie wissen nicht einmal genau, woran sie leidet, wie können sie da behaupten, sicher zu sein, dass sie nie wieder gesund wird? Verstehst du das? Was für ein Unsinn!«, sagte er und haute mit der flachen Hand auf den Tisch. Er hatte sich so in Rage geredet, dass er nach Luft schnappte und sich nur allmählich beruhigte. Er beugte sich über den Tisch, als wolle er sie in ein Geheimnis einweihen: »I-i-ich vertraue ihnen nicht. Ich glaube nicht an ihre Tests. Ich war überzeugt, du bist Ärztin geworden. Wie dumm von mir. Ich war überzeugt, du arbeitest in einem der modernen Krankenhäuser, in Hongkong. Ich hatte gehofft, du könntest uns helfen.«

    Â»Es tut mir leid, ich wünschte, ich könnte es. Gibt es hier keine guten Ärzte?«
    An seinem Blick erkannte sie, was für eine dumme Frage das

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