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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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an.
    Da Long musterte diesen hochgewachsenen Fremden verdutzt, dann flog ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht. Er nickte immer wieder, bedankte sich förmlich für ihr Kommen, betonte, welche Freude es für ihn, ja, für die ganze Familie sei, seine Schwester nach so vielen Jahren wiederzusehen, er fühle sich geehrt von ihrem Besuch, hoffe, dass die Anreise nicht zu strapaziös gewesen sei und dass ihre Begegnung unter einem guten Stern stehen möge. Er entschuldigte sich für die ärmlichen Umstände, unter denen er sie empfangen müsse, zeigte sich erleichtert, dass Yin-Yin sie so gut hergeführt hatte, denn, wie besagt ein chinesisches Sprichwort: »Man verirrt sich nie so leicht, wie wenn man glaubt, den Weg zu kennen.«
    Christine hatte vergeblich versucht, ein paar Wortfetzen aufzuschnappen, nun musste sie warten, bis Paul die Begrüßung übersetzte. Sie hörte ihm zu und hatte das Gefühl, es waren nicht nur die Laute, die ihr nicht geläufig waren.
    Da Long bat sie ins Haus. Sie traten in einen großzügigen, dämmrigen Raum, der nur spärlich möbliert war. Vor den Fenstern hingen dunkle Tücher als Schutz gegen die Sonne, neben der Eingangstür stand ein Tisch mit vier Stühlen, darauf ein Teller mit Keksen, eine Schale voller Bonbons, eine Teekanne und vier Tassen. Auf der anderen Seite des Zimmers ein schwarzes Kunstledersofa, gegenüber ein großer Fernseher, in der Ecke ein Nachttisch und ein Bett. Es war warm, aber nicht zu heiß, und es roch nach Krankenhaus. In dem Bett lag ein Mensch. Eine Frau.

    Da Long machte keine Anstalten, ihnen zu sagen, wer sie war, oder ihnen die Wohnung zu zeigen. Er bat sie einfach, sich zu setzen, Yin-Yin schenkte Tee ein und reichte die Kekse herum. Christines Bruder lächelte unbeholfen und schob die Schüssel mit den Bonbons zu ihr hinüber: »F-f-ür dich. Deine Lieblingsbonbons.«
    Paul übersetzte.
    Verwundert betrachtete sie die Süßigkeit, kleine, in weißblaues Papier gewickelte Bonbons mit einem Hasen darauf. Ihre Lieblingssüßigkeit? Das waren schwarze, viereckige Pralinen von Godiva, von herrlich bitterer Schokolade bedeckt und mit dunklem, nicht zu süßem Nougat gefüllt, den sie genüsslich auf der Zunge zergehen ließ, um länger etwas davon zu haben.
    Da Long bemerkte ihre Verunsicherung und fügte hinzu: »W-w-white Rabbit. F-f-früher hast du sie so gern gegessen. Erinnerst du dich?«
    Sie verstand kein Wort. Es war entsetzlich. Sie warf Paul einen Was-hat-er-gesagt-Blick zu. Er wiederholte Da Longs Worte in Kantonesisch.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ihr Bruder wandte sich zu Paul, als müsse ein Übersetzungsfehler vorliegen. »W-w-white Rabbit«, sagte er ein zweites Mal.
    Nein, keine Erinnerungen. Nicht an weiße Hasen. Nur die an einen fetten, schwarzen Raben, der auf einem Fensterbrett saß. Und nicht fliegen konnte.
    Plötzlich vernahmen sie eine Art Grunzen, das nach wenigen Sekunden in ein kurzes Gejaule überging, bevor es erstarb. Yin-Yin stand auf, ging zum Bett, wischte mit einem feuchten Tuch über die Stirn der Kranken, holte ein Glas Wasser, hob ihren Kopf, flößte ihr etwas ein, hockte sich
neben sie und nahm ihre Hand. Auf dem Nachttisch stand eine kleine Musikanlage, Yin-Yin schob eine CD hinein, man konnte eine Violine und ein Piano hören.
    Â»Min Fang. Meine Frau«, sagte Da Long plötzlich.
    Den Namen hatte sie verstanden. Und: Tai-tai. Seine Frau.
    Â»Was ist mit ihr?«, fragte Christine, dabei jeden Laut sorgfältig betonend in der Hoffnung, er würde sie verstehen.
    Da Long blickte Paul fragend an. Nicht einmal die einfachsten Sätze.
    Â»S-s-sie ist krank. D-d-die Musik beruhigt sie.«
    Â»Was hat sie?«
    Â»D-d-die Ärzte wissen es nicht genau. Zuerst dachten sie, es seien epileptische Anfälle. Dann sprachen sie von einem Schlaganfall. Oder mehreren. Sie sagen, es gebe keine Hoffnung.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »A-a-aber ich glaube ihnen nicht. N-n-nicht diesen Ärzten hier.«
    Christine warf Paul einen Hilfe suchenden Blick zu. Sie wünschte, er könnte das Gespräch weiterführen. Sie ahnte, was kommen würde.
    Â»Ist das der Grund für unseren Besuch?«, fragte sie leise.
    Ihr Bruder nickte, ohne sie anzuschauen.
    Â»Du glaubst, ich, Mei-mei, die kleine Barfußdoktorin, könnte ihr helfen?«
    Er nickte

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