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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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Gefühl, und nach einem kurzen Zögern lehnte er ab.
    Â 
    Das Frühstück war erbärmlich. Der Fisch schwamm in einer fettigen Sauce, die Reissuppe war geschmacksneutral, die Dumplings lauwarm und an den Rändern bereits trocken und hart, selbst der Tee schmeckte bitter. Paul ließ das Essen stehen, holte sich vom Buffet einen Joghurt, ein paar Scheiben Wassermelone, eine Banane, bat um einen frischen Jasmintee, verzog sich wieder in die hinterste Ecke des fensterlosen, eiskalten Raums und überlegte, was er machen sollte. Eigentlich hatte er sich diese seltsame Stadt, in der Menschen ihre eigenen Häuser nicht mehr finden können, anschauen wollen, aber die widersprüchlichen Geschichten, die er in der vergangenen Nacht allein innerhalb einer Stunde im Internet gefunden hatte, gingen ihm nicht aus dem Kopf. Konnte es wirklich einen Zusammenhang zwischen dem qualvollen Tod der Katze und Min Fangs Leiden geben? Wenn ja, was war es, das beides verband? Wenn es sich um einen mysteriösen Virus handelte, wie mochte sie sich infiziert haben, und wie groß war die Ansteckungsgefahr für die anderen Bewohner? Konnte er, der weder Mediziner noch Chemiker oder Toxikologe war, auf diese Fragen Antworten finden? Als Journalist hatte er das Handwerk der Recherche gelernt, er könnte versuchen, Indizien, Anhaltspunkte zusammenzutragen. Würde sich sein erster Verdacht bestätigen, müsste das selbst die chinesischen Behörden interessieren. Denn dann ging es nicht nur um das Leben von Katzen.
    Er hatte nichts zu verlieren, außer einen Tag.
    Paul kaufte nach dem Frühstück ein Notizbuch, einen Kugelschreiber
und nach kurzem Zögern eine kleine, billige Digitalkamera. Sollte er etwas Verdächtiges finden, wollte er es dokumentieren können.
    Â 
    Der Taxifahrer setzte ihn um kurz vor elf Uhr auf dem Dorfplatz ab und versprach, ihn gegen 18 Uhr, spätestens bei Einbruch der Dunkelheit, wieder abzuholen. Für den Notfall gab er ihm seine Handynummer. Es war drückend heiß, der Himmel wolkenlos, der Ort wirkte noch verlassener als an den beiden Tagen zuvor. Die Hitze hielt die Menschen in ihren Häusern. Selbst der Hund, der sie vorgestern noch so wütend angekläfft hatte, lag nun im Schatten eines Hauses und hob beim Anblick des Fremden nur müde den Kopf.
    Paul hatte sich während der Fahrt an die kranke Frau erinnert, auf die Christine in einer Seitenstraße gestoßen war, und machte sich auf die Suche nach ihr. Er wollte mit ihr oder ihrer Familie reden, bevor er zu Da Long ging.
    Das Dorf war verwinkelter gebaut, als es zunächst den Anschein hatte. Er bog mehrmals ab, trat durch ein morsches Holztor und geriet in einen menschenleeren Innenhof, der durch einen versteckten Pfad mit zwei anderen verbunden war; das Netz der Höfe war so unübersichtlich wie die Gänge eines Labyrinths. Die einstöckigen Häuser waren auffallend schlicht, nur an wenigen Türen und Fenstern entdeckte Paul die in China üblichen Verzierungen. Alles deutete darauf hin, dass die Bauern hier schon immer ziemlich arm gewesen sein mussten. Ein verwaister Bambusstuhl, zerfallene, aus getrockneten Gräsern geflochtene Körbe, ein kaputter roter Lampion, der über einer Tür hing, waren die einzigen Hinweise auf Bewohner. Als Paul sich nach einigen Minuten schon wieder in einem unbekannten Innenhof fand, wusste er nicht mehr, wo er war.

    Er rief laut und deutlich »Ni hao«, doch als Antwort bekam er nur eine feindlich anmutende Stille. Er stand unschlüssig herum, bis er plötzlich den Geruch von Gebratenem aufnahm. Er machte kehrt, folgte dem Duft, der ihn in eine Gasse gleich nebenan führte, und rief noch einmal laut und deutlich »Ni hao«.
    In einem Türrahmen erschien der Kopf eines alten Mannes, der ihn misstrauisch anstarrte.
    Â»Was wollen Sie?«
    Â»Entschuldigen Sie, dass ich störe. Ich suche Frau Ma«, antwortete Paul in seinem besten Mandarin.
    Â»Wer sind Sie?«, entgegnete der Alte unbeeindruckt.
    Â»Ein Freund von Da Long und seiner Familie.«
    Der Mann trat hinaus. Er hatte ein pockennarbiges Gesicht, trug einen blauen, abgewetzten und ausgeblichenen Mao-Anzug, besaß die kräftige Statur eines Bauern und hielt einen hölzernen Kochlöffel in der Hand. Die Bügel seiner großen Brille waren an beiden Seiten mit braunem Klebeband repariert, quer durch das linke Glas zog sich ein Sprung.
    Â»Ma ist

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