Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
Vom Netzwerk:
mit dem Kochlöffel zu drohen.
    Paul erschrak und wich zurück, obwohl er mindestens einen Kopf größer war. Der Entschlossenheit dieses Mannes hatte er nichts entgegenzusetzen. Er entschuldigte sich mehrmals und eilte mit hastigen Schritten aus der Gasse.
    Â 
    Da Long stand zwischen einem Berg Wäsche im Hof über einen tiefen Holzbottich gebeugt und wusch ein Bettlaken. Er hielt es hoch, betrachtete mehrere gelbe und zwei handtellergroße braune Flecken auf dem hellen Stoff, kippte noch etwas Waschpulver ins Wasser und rieb so lange an dem Laken herum, bis die Flecken nur noch als helle Schatten zu erkennen waren. Er legte es beiseite und tunkte die Hose eines grauen Schlafanzuges in die Seifenlauge.

    Er blickte kurz auf, als sein Besucher durch das Tor trat, wirkte jedoch nicht sonderlich überrascht, ihn zu sehen. Paul meinte sogar, den Anflug eines Lächelns auf dem erschöpften Gesicht zu erkennen.
    Â»Wie geht’s?«, war alles, was er zur Begrüßung sagte.
    Christine wäre vermutlich gekränkt oder enttäuscht gewesen über den kühlen Empfang, Paul war es nicht. Er wusste, dass es für jemanden, der um das Leben seines Kindes oder seiner Frau kämpft, nur zwei Sorten von Menschen gibt: solche, die einem helfen oder nützlich sind oder sein könnten, und die anderen. Ersteren gehörte die ganze Aufmerksamkeit, den Rest ignorierte man.
    Â»Heiß heute«, antwortete Paul.
    Â»Hm«, erwiderte Da Long, während er die Hosenbeine des Pyjamas gegeneinander rieb.
    Â»Musst du jeden Tag waschen?«, fragte Paul in der Hoffnung, ein Gespräch anzufangen.
    Â»Fast.«
    Paul half ihm beim Auswringen. »Ich dachte, ich besuche dich, bevor ich den ganzen Tag in Yiwu herumsitze.«
    Da Long nickte und hängte die Wäsche auf eine Leine, die quer über den Hof gespannt war.
    Â»Yin-Yin hat uns gestern erzählt, dass Ma, die Freundin von Min Fang, ebenfalls einen Schlaganfall hatte. Ich habe auf dem Weg zu dir den Mann von Frau Ma getroffen.«
    Â»So, so.« Da Long wurde nicht gesprächiger, er hatte offensichtlich keine Ahnung, worauf Paul hinauswollte. Paul wusste es selbst nicht genau.
    Â»Seltsam, oder? Zwei Freundinnen, zwei Schlaganfälle innerhalb von zwei Wochen.«
    Da Long schüttete den Bottich mit der schmutzigen Lauge aus und beachtete ihn nicht weiter. Paul gewann den
Eindruck, an diesem Morgen zu jenen zu gehören, von denen Da Long annahm, dass sie ihm nicht nützlich sein konnten.
    Â»Sag mal, gibt es im Dorf Leute, die Katzen essen?«
    Â»Glaub ich nicht. Hühner, Kellerasseln, Fische, ja, aber keine Hunde oder Katzen«, antwortete Da Long und zündete sich eine Zigarette an.
    Paul setzte sich ratlos auf die Stufen, die zur Wohnung hinaufführten. Vielleicht war er auf der völlig falschen Fährte. Vielleicht hatten die Katzen mit der Erkrankung gar nichts zu tun. Aber was verband Min Fang und Ma noch miteinander? Sie tranken das gleiche Wasser, aßen Reis und Gemüse von denselben Feldern, aber das tat der Rest des Dorfes auch. Und plötzlich fiel ihm der Name des Ortes wieder ein, den er seit zwei Tagen im Kopf gesucht und gewälzt, aber nicht gefunden hatte. Ein Fischerdorf in Japan. Warum war er nicht schneller darauf gekommen? Er holte seinen Stift und das Notizbuch aus dem Rucksack und notierte ihn.
    Â»Hast du Fische gesagt?«
    Da Long sog an dem Stummel zwischen seinen Lippen und nickte. »Min Fang und Ma waren oft zusammen fischen.«
    Â»Wo?«
    Â»In einem See.«
    Â»Du nicht?«
    Â»Selten.«
    Â»Und eure Nachbarn, die Zhuos?«
    Da Long schüttelte den Kopf.
    Paul überlegte eine Weile. »Was habt ihr mit dem Fisch gemacht?«
    Â»Gegessen natürlich.«
    Â»Wie weit ist der See vom Dorf entfernt?«

    Â»Eine Dreiviertelstunde zu Fuß, zurück dauerte es länger. An guten Tagen waren die Eimer mit den Fischen schwer.«
    Â»Ist er leicht zu finden?«
    Â»Du gehst die Gasse, die bei uns am Haus vorbeiführt, immer geradeaus. Nach ein paar hundert Metern ist das Dorf zu Ende, der Weg ist nur noch ein Trampelpfad, du läufst einfach weiter. Irgendwann siehst du ihn.«
    Â»Liegt er in einem Industriegebiet?«
    Da Long lächelte. »Im Gegenteil. Da sind weit und breit nichts als Felder und ein paar Bambushaine. Warum interessiert dich der See?«
    Â»Nur so. Ich angele selber sehr gern«, log Paul. In seinem ganzen

Weitere Kostenlose Bücher