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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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versucht, sie zu beruhigen, und ihr versichert, er verstehe es, in solchen Situationen einen guten Eindruck zu machen, es sei nicht das erste Mal, dass er chinesischen Eltern als möglicher Schwiegersohn vorgestellt wurde. Das war zwar nicht unbedingt das, was sie gerne hören wollte, trug aber immerhin ein wenig zu ihrer Beruhigung bei. Sie atmete erleichtert durch, als sie Paul das Restaurant betreten sah. Er war beim Frisör gewesen, seine grauen Locken reichten nur noch kurz über die Ohren, er war frisch rasiert, trug eine schwarze Leinenhose und ein weißes Hemd.
    In der einen Hand hielt er eine Schachtel von Christines Lieblingspralinen, in der anderen ein Geschenk für ihre Mutter. Es war Gebäck in Form von Pfirsichen, gefüllt mit Lotussamenmus - für chinesische Augen ein mit Bedacht ausgesuchtes Symbol für Langlebigkeit. Ihre Mutter stellte das kunstvoll verpackte Geschenk auf den Tisch, ohne es eines Blickes zu würdigen. Sie musterte Paul nur kurz und setzte sich.

    Â»Paul, das ist meine Mutter Wu Jie. Mama, das ist …«
    Â»Wie viel verdienen Sie?«, unterbrach Wu Jie ihre Tochter.
    Â»Mama!« Christine wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. Der Abend konnte kein gutes Ende nehmen. Wie oft hatte sie ihre Mutter in den vergangenen zwei Tagen gebeten und ermahnt, diese Frage nicht zu stellen? Christine wollte protestieren, Paul bedeutete ihr jedoch mit einem Lächeln, dass er diese Art von Verhör erwartet hatte.
    Â»Der Mensch ist ein lebender, Reichtum aber ein toter Schatz.«
    Oh Paul, eine viel schlechtere Antwort hättest du nicht geben können. Christine fürchtete, er würde gleich noch hinzufügen, dass ihm Geld nichts bedeute, dass er sehr bescheiden von Erspartem lebe, da er seit Jahren nicht arbeite, weil er um seinen verstorbenen Sohn trauere. Damit wäre der Abend beendet, bevor er richtig begonnen hatte. Ihre Mutter würde höflich die Bestellung abwarten, hastig essen und auf einen schnellen Aufbruch drängen. Sie hatte ihren Mann, ihren Sohn und ihre Heimat verloren und trotzdem oder deshalb gearbeitet, bis ihr Körper verbraucht war. Wie sollte sie Verständnis für Pauls Weltabgewandtheit aufbringen?
    Christine fragte sich, wie sie diesem Essen überhaupt hatte zustimmen können? Am liebsten würde sie jetzt Übelkeit vortäuschen und den Tisch für eine Weile verlassen. Als Westler ihrer Mutter mit chinesischen Sprichwörtern zu kommen war keine gute Idee, und diese besondere Weisheit entsprach ganz und gar nicht ihren Erfahrungen. Menschen und Schätze waren für Wu Jie zwei sehr unterschiedliche Dinge, die in keinerlei Beziehung zueinander standen. Nicht in ihrem Leben.
    Argwöhnische Augen. Ein kurzer Blick, der nichts Gutes
verhieß. »Mit Geld bist du ein Drache, ohne Geld nur ein Wurm«, entgegnete sie verächtlich.
    Â»Da haben Sie Recht«, erwiderte Paul, der seinen Fehler bemerkt hatte. In seiner freundlichsten Was-für-eine-Ehre-Sie-kennen-zu-lernen-Stimme fügte er hinzu: »Deshalb möchte ich Ihnen versichern, dass ich genug verdiene.«
    Â»Hm«, grummelte die Mutter unzufrieden und trank schlürfend von ihrem Tee. Sie hatte die dünnen grauen Haare mit zwei einfachen Spangen zurückgesteckt, trug eine rote, traditionelle chinesische Jacke mit Drachenmuster und blickte Paul über den Rand ihrer dicken Brille misstrauisch an.
    Christine wusste, dass es das Wort »genug« im Zusammenhang mit Geld für ihre Mutter nicht gab. Nicht aus Gier, sondern weil Geld die einzige Sicherheit war, der sie vertraute. Weil ihnen Geld die Flucht nach Hongkong ermöglicht hatte. Weil sie überzeugt war, dass Geld auch Vögeln, die nicht fliegen können, Flügel wachsen lässt.
    Â»Genug für uns fünf«, ergänzte Paul, der verstanden hatte, dass seine Antwort alles andere als zufriedenstellend ausgefallen war. »Ich besitze ein Haus auf Lamma und ein breit gestreutes Aktiendepot, das sich erfreulich gut entwickelt.«
    Sie hatte nicht geahnt, was für ein begabter Schwindler er war.
    Â»Wie hoch ist das Haus belastet?«, wollte ihre Mutter wissen.
    Warum konnte ihr diese Peinlichkeit nicht erspart bleiben? Christine suchte vergeblich Pauls Blick, und als er nicht reagierte, tat sie, als hätte sie nichts gehört, und blätterte in der Speisekarte.
    Â»Gar nicht«, erwiderte Paul.
    Wu Jie nickte zufrieden. »Spielen

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