Drachensturm
auch mit dem Recht auf das erste Verhör. Es war schwer genug, einen Modus zu finden, mit dem beide Seiten leben können, ich will ihn nicht aufs Spiel setzen.«
» Mich stellt dieser Modus weit weniger zufrieden als diesen Emporkömmling Pizarro«, warf der Tressler verstimmt ein. » Er will uns doch noch nicht einmal diese Festung zugestehen.«
» Wir werden sehen, wie der kaiserliche Hof entscheidet, Tassilo«, sagte der Hochmeister und klang müde. Es war das erste Mal, dass Mila das Gefühl hatte, dass ihr Großonkel alt wirkte. Er hatte in Panama einmal angedeutet, dass er dem Orden nicht mehr lange vorstehen würde, und sie begriff, dass er deshalb dem Orden diese Festung erobert hatte, eine Möglichkeit, in der Neuen Welt eine Basis zu errichten. Das sollte sein Vermächtnis sein. Doch nun lag die Entscheidung beim kaiserlichen Hof, und es konnte Jahre dauern, bis dort etwas entschieden wurde. Ihm rennt die Zeit davon, und er merkt es, dachte sie.
Es sah so aus, als müssten sie die Nacht mitten im Berg verbringen. Kemaq betrachtete den zerklüfteten Hang. Noch hatte er nichts entdeckt, was nach einem guten Lagerplatz aussah.
» Deine Führung hat uns wieder in eine schöne Lage gebracht«, sagte Qupay düster.
» Es ist schon erstaunlich, dass wir überhaupt hier heraufgekommen sind«, meinte der Yunga mit einem Seitenblick auf Qupay.
» Inti war mit uns«, giftete dieser.
» Ich hoffe, du hast Recht, Priester«, entgegnete der Yunga, » denn es ist nie gut, wenn die Götter nicht helfen. Was hat die Chachapoya dazu gesagt?«, fragte er.
» Sie war der Meinung, dass uns Tamachoc helfen wird«, erwiderte Kemaq, obwohl das nicht ihre genauen Worte waren.
» Es ist schade, dass sie nicht auf uns gewartet hat. Eine Heilerin hätte einigen von uns Linderung verschaffen können«, sagte der Yunga.
» Wenn sie denn eine Heilerin und keine Zauberin ist!«, warf Qupay ein.
» Dieses Seil ist keine Zauberei«, nahm Kemaq sie in Schutz. Er hatte sich das Seil über die Schulter geworfen, und es hatte ihnen schon mehrfach gute Dienste geleistet.
» Aber jeder weiß, dass die Chachapoya mächtige Zauberer haben«, sagte ein Chimú-Bogenschütze, der seinen Bogen noch trug, obwohl er keine Pfeile mehr dafür hatte.
» Ja«, flüsterte ein anderer, » sie kommen mit dem Nebel und lösen sich wie Dunst in Luft auf.«
» Die Inka haben das Wolkenvolk immer gefürchtet«, bestätigte der Bogenschütze.
» Aber am Ende haben sie es unterworfen und seine Festungen erobert«, warf Qupay ein.
» Und doch sind es mächtige Zauberer«, meinte der Yunga, und Kemaq hörte ihm seine Ehrfurcht an. » Wie sonst erklärt ihr, dass sie dort war, wo wir sie brauchten, dass sie ein Seil für uns bereithielt und dass sie spurlos verschwand, aus diesem engen Tal, aus dem doch sonst nur ein Vogel entkommen könnte?«
» Wir sind auch herausgekommen«, widersprach Qupay
» Wir hatten ihr Seil!«, rief der Yunga und verdrehte die Augen.
» Ich glaube, ich sehe dort oben einen breiten Absatz, dort könnten wir zur Not die Nacht verbringen«, sagte Kemaq, auch, um diesen fruchtlosen Streit zu beenden.
» Wo siehst du da einen Absatz?«, fragte Qupay giftig.
» Dort, bei dem Felsen, dessen Kopf beinahe wie der einer Schlange aussieht«, antwortete Kemaq.
Der Yunga bekam plötzlich leuchtende Augen: » Du hast Recht, er sieht aus wie der Kopf von Tamachoc!«
» Das habe ich nicht gesagt«, widersprach Kemaq.
» Aber es ist so«, meinte der Bogenschütze. » Die Chachapoya hatte wohl Recht, die Regenschlange ist mit uns – oder wenigstens mit dir.«
» Wir werden uns den Hals brechen, wenn wir in der Dämmerung dort hinaufklettern«, rief Qupay.
» Vielleicht einige von uns, Priester, vielleicht die, deren Glaube schwach ist«, entgegnete der Yunga wütend.
Kemaqs Blick ging zurück über die Ebene, und er entdeckte schwarze Schatten, die in der Abenddämmerung kreisten. » Lasst uns aufbrechen«, sagte er, » denn die fliegenden Götter sind noch dort unten, und es mag sein, dass sie nach Kriegern suchen, die der Schlacht entkommen sind. Ich will ihnen nicht wieder begegnen, nie wieder.«
» Dennoch halte ich es für den besten Weg, den Heiden das Wort Gottes näherzubringen«, sagte die volltönende und doch leicht ölige Stimme Pater Vicente Valverdes.
» Das mag sein, doch ich glaube nicht, dass dieser Weg gangbar ist, Pater«, antwortete die Stimme des Hochmeisters ruhig.
» Weil Ihr es nicht glauben wollt!«, rief
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