Drachensturm
der Priester. » Ja, es fehlt Euch überhaupt an Glauben, scheint mir.«
Wieder einmal war eine Versammlung einberufen worden, doch dieses Mal war Mila nicht dazugebeten worden. Sie saß mit Marduk und Nabu auf dem Dach des Palastes und lauschte dennoch. Es war ihr gleich, ob das irgendjemandem da unten in der großen Kammer nicht gefiel. Es war beinahe Mitternacht, und die Müdigkeit überlagerte allmählich die große Anspannung des schrecklichen Tages. Es war viel geschehen. Felipe war tot, was ihr immer noch unwirklich erschien. Bisher hatte sich keiner der Arkebusiere zu diesem tragischen Fehlschuss bekannt – vielleicht glaubte der Schütze den Versicherungen der Ordensmeister nicht, dass er nichts zu befürchten hatte –, und niemand schien den verhängnisvollen Schuss gesehen zu haben. Mila seufzte. Eine Schlacht war gewonnen worden, eine sehr einseitige Schlacht. Sie hatte inzwischen erfahren, dass sich die Drachen, bis auf Nergal und Behemoth, zurückgehalten hatten. » Es widerstrebt uns, wehrlose Gegner zu töten. Wir sind nicht so blutrünstig wie … Raubtiere«, hatte Marduk ihr würdevoll erklärt, und dabei hatte sie das untrügliche Gefühl gehabt, dass er statt Raubtiere eigentlich Menschen hatte sagen wollen. Jetzt lag er auf dem Dach und ließ durch ein gelegentliches Schnauben jene unten in der Kammer wissen, was er von ihren Beratungen hielt.
Dort ergriff wieder der Hochmeister das Wort: » Es steht Euch nicht zu, Pater Valverde, meinen Glauben in Frage zu stellen. Schließlich hat unser Orden lange in Spanien für die Sache der Christen gekämpft.«
» Dennoch habe ich den Eindruck, dass Euer Glaube nach Abschluss der Reconquista in seiner Kraft merklich nachgelassen hat, Don Maximilian. Hat Euer Orden nicht sogar einen Morisco in seinen Reihen, und nun auch noch ein Weib?«
» Ihr habt weder das Recht, den Glauben von Don Mancebo anzuzweifeln«, entgegnete der Hochmeister in einer Ruhe, die sehr gezwungen klang, » noch steht es Euch zu, die Comtesse von Tretzky als Weib zu bezeichnen, Pater!«
» Meiner Ansicht nach hätte man die Mauren besser allesamt erschlagen statt vertreiben oder gar taufen sollen«, verkündete die raue Stimme von Hernando Pizarro.
Marduk schnaubte abfällig, und auch Mila musste den Kopf über den Mann schütteln. Sie fragte sich, warum um alles in der Welt Francisco Pizarro seinen Halbbruder zu seiner rechten Hand gemacht hatte.
» Ich verstehe einfach nicht, was Ihr gegen meinen Plan einzuwenden habt, Don Maximilian«, rief der Priester. » Es kann doch nur in Eurem Sinne sein, wenn die Bekehrung rasch und erfolgreich verläuft und die Indios uns als das begrüßen, was wir sind – die Retter ihrer Seelen und die Befreier aus dem Joch ihres falschen Gottkönigs.«
» Ich frage mich, ob sie dieses Joch nicht einfach nur gegen ein anderes eintauschen werden, Pater, aber das ist nicht der Punkt. Ich habe bereits mit Marduk über Eure Bitte gesprochen, und ich kann leider nur wiederholen, dass die Drachen es ablehnen, Eure Priester zu den Eingeborenen zu tragen.«
» Aber Fray Celso haben sie getragen!«, rief Pater Valverde.
Marduk räusperte sich, dann hörte Mila, dass er sich streckte, vermutlich, um durch das fehlende Stück Decke in die Kammer sehen zu können, und er sagte: » Wir haben nichts gegen einen Mönch, der sich um die Seelen unserer Ritter kümmert, aber uns hat nicht gefallen, dass Ihr in dieser Stadt das Wort Gottes verbreitet, während gleichzeitig Soldaten mordend und plündernd durch die Straßen ziehen, Pater.«
Der Dominikaner würdigte Marduk jedoch keiner direkten Antwort, sondern rief: » Dann befehlt es diesen Kreaturen doch, Don Maximilian.«
» Befehlen? Ich sehe, dass Ihr immer noch viel über Drachen lernen müsst, Pater Valverde«, entgegnete der Hochmeister trocken.
Jemand lachte in der Kammer. Mila brauchte einen Augenblick, um herauszuhören, dass es Francisco Pizarro selbst war. Jetzt ergriff der Konquistador das Wort: » Seht es ein, Pater, diese Drachen sind Krieger, keine Prediger. Vielleicht würden sie Euch auch mehr mögen, wenn Ihr sie seinerzeit nicht als Ausgeburten der Hölle bezeichnet hättet.«
» Aber das ist Jahrhunderte her, Don Francisco!«, rief der Pater empört.
» Drachen haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis, nicht wahr, Don Maximilian?« Vielleicht hatte der Hochmeister stumm zugestimmt, denn Pizarro fuhr fort: » Ich denke, da Euer Plan vorerst nicht zur Ausführung gelangt, Pater, werden
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