Drachensturm
auf, und wir wollen nicht die Letzten sein«, drängte Pamac.
» Ich habe immer gesagt, dass ich nicht gerne hier lebe«, sagte Mocto, » und jetzt fällt es mir doch schwer, hier fortzugehen.«
» Du wirst es uns nicht leichter machen, indem du jammerst, Alte«, sagte der Vorsteher.
» Warum sollte ich es dir leicht machen, Pamac?«, entgegnete Mocto trocken.
» Die Priester sagen, dass unser Auszug unter guten Zeichen steht«, rief der Vorsteher zunehmend ungehalten.
Mocto schnaubte. » Dieselben Priester, die unsere Männer hinunter in die Ebene geführt haben?«
Pamac trat nah an sie heran und sagte leise: » Lass das Huaxamac nicht hören, Alte, es könnte dir und uns allen schlecht bekommen.« Dann wandte er sich an die Gemeinschaft: » Sind wir vollzählig?«
» Bis auf die Männer, die gefallen sind«, rief eine Frauenstimme aus der Menge.
Der Vorsteher schluckte. Auch Kemaq war erstaunt über die Feindseligkeit, die Pamac entgegenschlug. Er war nie besonders beliebt gewesen, aber noch nie hatte jemand offen die Stimme gegen ihn erhoben. Nach der Schlacht war vieles anders geworden. Zu viele Väter und Söhne waren gefallen, auch Ollamac, der alte Curaca, war tot. Nur die Hälfte derer, die nach Chan Chan gezogen waren, war zurückgekehrt, und von denen hatte der Hohepriester auch noch jeden zwanzigsten töten lassen, denn Inti verlangte es, als » Strafe für ihre Feigheit«. Die Menschen von Tikalaq hatten es hingenommen, denn wer konnte dem Willen der Götter widersprechen? Aber es lag Unruhe über der Stadt, und die Menschen der verschiedenen Völker – Yunga, Marachuna, Chimú und selbst Inka – äußerten erstmals leise Zweifel an der Weisheit der Priester. Kemaqs Bruder Qupay blieb, wie die meisten anderen seines Standes, nun auch bei Nacht im Tempel. Es hieß, die Priester fühlten sich nicht mehr sicher auf den Straßen. Und dann war ein Bote des Sapay Inka gekommen und hatte den Befehl überbracht, dass alle Bewohner Tikalaqs die Stadt beim nächsten Morgengrauen zu verlassen hatten. Deshalb kehrten sie nun ihren Häusern den Rücken, und es war Aufgabe der Vorsteher, darauf zu achten, dass keiner zurückblieb.
» Nicht ich habe den Befehl gegeben«, sagte Pamac jetzt, » und ich verlasse meine Heimat genauso ungern wie ihr.«
» Lass das nicht deine Priester hören«, spottete Mocto.
Sie brachen auf. Die Straßen der Stadt waren voller Menschen, die schweigend und mit hängenden Schultern die Stadt verließen. Kemaq blickte noch einmal zurück auf die Häuser ihrer Gemeinschaft. Der Großvater von Atahualpa hatte einst angeordnet, dass seine Eltern und viele andere vom Steinvolk hier leben sollten, und nun kam der Enkel und verpflanzte sie wieder. Unvermittelt fiel ihm ein, was Pitumi einmal gesagt hatte: » Die Gesetze des Inka sind oft grausam.« Nie war ihm das so bewusst geworden wie jetzt, da er Alte und Kinder, Männer und Frauen sah, die ihre Heimat von einem Tag auf den anderen verlassen mussten und an der Grube vorbeizogen, die Huaxamac für die Hingerichteten hatte ausheben lassen.
Nabu keuchte und gab auf. Wie ein Stein sackte er in die Tiefe. Mila wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war. Dann sagte sie: » Beim nächsten Mal schaffen wir es.«
» Wir, Prinzessin? Wenn es nach mir geht, können wir gerne tauschen, und du versuchst beim nächsten Mal, mich über diese Berge zu tragen.«
Mila lachte: » Dafür bist du mir doch ein wenig zu schwer, Nabu.«
» Du mir mit deiner neuen Rüstung auch«, brummte der Drache. » Und ich muss ja nicht nur dich, sondern auch noch diesen Faulpelz Ruiz auf meinem Rücken dulden.«
Er schien wirklich außerordentlich schlechter Laune zu sein, aber Mila konnte es nicht ändern. Sie hatten ihre Befehle und versuchten nun, sie zu befolgen. Sie wandte sich an Ruiz. » Siehst du unsere Leute noch?«
» Sie sind noch weit unten im Hang, Condesa, und ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass sie die Pferde und Kanonen dort hinaufbringen können. Ich habe den Anfang des Pfades gesehen, der ist kaum breit genug für einen Mann zu Fuß. Und vorhin habe ich einen tiefen Spalt auf diesem Weg bemerkt. Das werden sie nie schaffen.«
» Warte es ab, Ruiz. Ich denke, Don Francisco findet einen Weg.« Das dachte sie wirklich. Es gab vieles, was sie an Pizarro nicht mochte: Er war unhöflich und rücksichtslos, anmaßend und überheblich, außerdem war er ungebildet, konnte weder lesen noch schreiben, aber seine Tatkraft war wirklich
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