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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Es gab noch einen anderen Grund dafür: Wenn er als Läufer einen Befehl ausführte, dann konnte er immer das Ziel und den Pfad klar vor sich sehen, und er musste sich weder Sorgen noch Gedanken darüber machen. Pitumi hingegen war dabei, ihn in ein Dickicht von Möglichkeiten und Entscheidungen zu locken. Wenn er ihr folgte, das sah er nun deutlich, würde er einen großen Teil seines Weges erst suchen müssen. Jetzt blieb sie vor einer kleinen Hütte stehen und schlug die Decke vor dem Eingang des Hauses zurück. Drinnen, am Feuer, saß ganz allein eine kleine, weißhaarige Frau. Sie starrte in die Flamme des bescheidenen Feuers, das vor ihr in der Herdstelle flackerte. Sie wandte sich langsam um und schien ihn erwartungsvoll anzusehen. Noch nie hatte Kemaq in ein so altes Gesicht geblickt.
    » Ist er da?«, fragte sie heiser.
    » Er steht vor der Tür, Payakmama«, erwiderte Pitumi kühl.
    » Warum kommt er dann nicht herein?«, krächzte die Alte. » Es zieht kalt von draußen herein.«
    Kemaq dachte an seinen Auftrag, seine Befehle, aber in diesem alten Gesicht lag etwas, dem er sich nicht entziehen konnte.
    Es war schon weit nach Mitternacht, als Mila noch einmal zu Nabu hinüberging. Er lag etwas abseits der anderen Drachen, und das war ihr sehr recht.
    » Ich kann nicht schlafen«, klagte sie und strich sanft über seinen geschuppten Hals.
    » Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten«, sagte Nabu und gähnte.
    » Ich habe dich geweckt?«, fragte Mila schuldbewusst.
    » Schon gut, mein Schlaf war unruhig und wenig erfrischend. Dieser Wald ist voller Geräusche.« Er kratzte sich hinter dem Ohr. » Aber dich bedrückt etwas, Prinzessin, oder?«
    » Ich mache mir Gedanken über das, was vor uns liegt.«
    » Vielleicht geht ja alles gut. Wenn die Indios klug sind, dann strecken sie die Waffen«, erklärte der Drache.
    » Ja, aber das meinte ich nicht. Ich habe einfach das Gefühl, dass dieser Ort etwas Böses birgt. Denk doch nur an die Drohung dieser seltsamen Indio-Frau!«
    » Geht es darum? Das sollte dich nicht schrecken, Prinzessin. Es ist gut möglich, ja, sogar sehr wahrscheinlich, dass sie uns den Tod wünscht. Wie könnte sie nicht? Sind wir doch gerade dabei, ihre Heimat zu erobern. Aber wie ich schon sagte, sie haben kaum die Mittel, uns ernsthaft zu schaden. Ihre Pfeile sind harmlos, ihre Lanzen und Keulen können doch gegen den Panzer eines Drachen wenig ausrichten, gegen deine Rüstung, die du, wie ich sehr wohl bemerke, schon wieder nicht trägst, ebenso wenig.«
    » Außerdem habe ich das Gefühl, dass Meister Albrecht mehr über diesen Ort weiß, als er sagt«, flüsterte Mila.
    » Der Stinker? Das wundert mich nicht. Ich habe schon immer gesagt, dass man ihm nicht trauen kann.«
    » Aber das sagst du, seit wir ihm begegnet sind«, meinte Mila, » und du würdest ihm auch dann nicht vertrauen, wenn er ein Heiliger wäre.«
    » Aber er ist kein Heiliger, sondern ein Alchemist. Ist dir nicht aufgefallen, dass er sich verändert hat, Prinzessin? Es erscheint mir, als steigere er sich da in etwas hinein. Dieses Gerede von Azoth, Selen und Tamachoc – er hat sich da offenbar in etwas verrannt.«
    Mila war überrascht. » Aber hofft nicht auch ihr Drachen, dass ihr hier etwas Besonderes findet? Andere Drachen, oder gar die Mutter der Drachen?« Ihr fiel erst jetzt auf, dass Nabu und Marduk lange nicht mehr darüber gesprochen hatten.
    Nabu brummte. » Hoffnung? Vielleicht. Wir dachten, wir würden hier etwas finden. Aber bislang haben wir keine neue Flamme gesehen, und langsam glaube ich, dass all diese Götter, die Drachen so ähnlich sehen, Quetzalcoatl, Viracocha, Pachakamaq und wie sie sonst noch heißen mögen, doch nur alte heidnische Götzen sind, und kein Hinweis auf die Existenz echter Drachen, wie der Alchemist behauptet.« Der Drache knurrte. » Wir hätten es uns eigentlich denken können, schon in Panama, als er davon anfing.«
    » In Panama?«, fragte Mila stirnrunzelnd.
    » Ja, wir hätten nie so schnell eingewilligt, hierherzukommen, wenn wir nicht gehofft hätten, hier auf unbekannte Brüder zu stoßen, doch es kann wohl nichts Gutes aus einer Geschichte werden, wenn dieser schmierige kleine Gelehrte seine Finger im Spiel hat!«
    Mila seufzte und schwieg. Hatte der Alchemist etwa auch den Drachen nur das erzählt, was sie hören wollten? Sie kannte die Beschreibungen der Bilder aus Tenochtitlan und von Yucatan. Diese Götter hatten wirklich Ähnlichkeit mit Drachen, das hatte auch Don

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