Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Götter ebenso unersättlich wie die Fremden zu sein«, erwiderte Kemaq, als er sich neben sie setzte. Nach dem Gebrüll und dem Krachen der Donnerrohre wirkte es auf einmal sehr still. Nur der vom Wald herüberwehende Brandgeruch erinnerte an das, was sich vor der Stadt anbahnte.
    » Tamachoc hat mit der Macht des Regensteins die Götter des Berges unter seinen Willen gezwungen. Wenn wir ihn haben, werden wir die Fremden und ihre Yayakuna vertreiben, und dann werden unsere Völker endlich frei sein.«
    Das klang alles etwas zu einfach in Kemaqs Ohren, so, als müsse er nur eben um den Berg herumspazieren, einen Kieselstein aufheben und zurückbringen, und schon würden die Fremden mitsamt ihren Göttern sich in Luft auflösen. Aber so leicht würde es ganz sicher nicht werden.
    » Leider hat Rumi-Nahui schon viel Vorsprung«, seufzte die Chachapoya jetzt. Ihr Gesicht drückte plötzlich Zweifel aus.
    » Aber ein Heer ist immer viel langsamer als ein einzelner Läufer«, sprach Kemaq ihr Mut zu. Erst dann fiel ihm auf, dass er sich inzwischen wohl irgendwie dazu bereit erklärt hatte, den Regenstein zu holen.
    » Es wird dennoch schwer sein, an ihm vorbeizukommen. Und auch die Vergessenen, die Chachapoya, die noch auf den Bergen und im alten Land unserer Ahnen wohnen, werden dich bemerken. Ich bin nicht sicher, dass sie dich gewähren lassen, Kemaq.«
    » Diese Vergessenen, Pitumi, werden sie nicht auch gegen Rumi-Nahui und seine Krieger kämpfen?«
    » Das ist möglich, sie wollen nichts von Fremden wissen, und sie werden die Huanca des Steinauges sicher als Feinde sehen, und auch die wenigen Chachapoya, die bei ihm sind. Aber das hilft uns nicht, wenn wir die Stadt nicht verlassen können, Chaski.«
    Kemaq nickte. Je länger er darüber nachdachte, desto weniger wollte er, dass der Regenstein Rumi-Nahui in die Hände fiel. » Erzähl mir mehr über den Stein, Pitumi«, bat er.
    Pitumi spähte noch einmal über die Mauer, dann setzte sie sich seufzend zu ihm und erzählte: » Zur Zeit der Ahnen stieg Tamachoc in Gestalt einer gefiederten Schlange vom Himmel herab, weil er unter den Menschen leben wollte. Er baute sich ein Haus inmitten eines schönen Sees. Dort wohnte er und lehrte die Chachapoya vieles, was sonst nur die Götter wissen. Den Stein verwendete er, um Regen zu machen und alle Krankheiten und alle Not von meinem Volk fernzuhalten. Aber je mehr meine Ahnen lernten, desto mehr begehrten sie zu wissen, und als sie erkannten, wie groß die Macht des Regensteins war, da wollten sie ihn selbst besitzen. Also schlichen die drei mutigsten Männer des Stammes zu Tamachocs Haus, um den Stein zu stehlen. Aber der Gott erwachte und tötete sie.« Pitumi schwieg einen Augenblick, und Kemaq dachte über das Schicksal dieser tapferen Männer nach.
    » Tamachoc war zornig«, fuhr Pitumi fort. » Also bestrafte er mein Volk, indem er ihm verbot, sich jemals wieder dem See und dem Haus, in dem er wohnte, zu nähern. Wer es doch tat, starb. Überhaupt wollte Tamachoc nichts mehr mit den Menschen zu tun haben, und er ließ auch den Regen nicht mehr über die Berge. Da nun aber der Regen ausblieb und Dürre das Land plagte, kam einer deiner Vorfahren, ein Marachuna, zu Tamachoc und erweichte mit seinen Bitten das Herz des Gottes, denn er erkannte, dass das Steinvolk von guter Art war. Und von da an kam jedes Jahr zum Tag des Regenfestes einer deiner Vorfahren über die Berge und erflehte den Segen Tamachocs.«
    Den Teil, der die Steinleute betraf, kannte Kemaq schon, aber was Pitumi über das Wolkenvolk erzählt hatte, war ihm neu. » Welches Wissen der Götter hat euch Tamachoc denn verraten?«, fragte er.
    Pitumi lächelte plötzlich und sagte: » Ihr habt das Recht, den Gott zu besuchen, wir das Recht, seine Geheimnisse für uns zu behalten.«
    Kemaq nickte und dachte nach. Er hörte vor der Mauer die Knochen eines weiteren unglücklichen Lamas krachen. Offenbar hatte auch dieser Drache großen Hunger. Dann sagte er: » Warum sollte Tamachoc mir erlauben, den heiligen Stein fortzubringen, Pitumi? Er hat doch deine Vorfahren, die es versucht haben, getötet.«
    » Du bist ein Marachuna, und der Gott hat dein Volk stets geliebt«, antwortete sie.
    Wieder nickte Kemaq, aber er fand, dass das, was Pitumi sagte, keine Antwort auf seine Frage war.
    Mila hörte, dass die Männer die Kanone in Stellung brachten. Don Hernando war nicht sehr erfreut darüber zu erfahren, dass die Mauer der Stadt so widerstandsfähig war. » Ich

Weitere Kostenlose Bücher