Drachensturm
oder einfachen Schleudern. Die Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
» Heda, ihr!«, rief der Curaca ihnen zu. » Ihr bleibt hier und bewacht den Tempel und den Platz. Sollte eines dieser fliegenden Wesen versuchen, hier zu landen, vertreibt ihr es, verstanden?«
Der Anführer der Männer nickte und führte die Männer hinüber zum Sonnentempel. Kemaq sah so etwas wie Dankbarkeit in den Augen des Mannes.
» Er ist also fort«, sagte Pitumi zum dritten Mal.
Der Curaca beachtete sie nicht, sondern ließ sich von einem Diener einen Helm und einen Schild reichen und lief dann, gefolgt von einigen Kriegern, über den Platz zur nördlichen Mauer, an der der erste Angriff erwartet wurde.
» Was hast du, Pitumi?«, fragte Kemaq, weil die Chachapoya wie angewurzelt stand und auf das Pflaster starrte. Über ihnen brüllten Drachen. Kemaq blickte auf. Es waren vier, er erkannte den bläulichen Yaya wieder, und als dieser sich auf die Seite legte, sah er auch seine Reiterin. Aber dann verdunkelte jenes graugrüne Ungetüm den Himmel, das ihn am Bach beinahe getötet hätte, und brüllte laut. Kemaq wäre es lieber gewesen, die Chachapoya wäre nicht mitten auf dem Platz stehen geblieben.
» Er betrügt uns«, sagte sie endlich.
» Wer?«, fragte Kemaq, der ihr nicht folgen konnte.
» Das Steinauge, wer sonst?«, rief die Chachapoya. » Rumi-Nahui hat einige alte Marachuna mitgenommen, weil er weiß, dass sie den Tempel ebenfalls betreten können, und vielleicht kennen sie sogar den Weg. Er denkt gar nicht daran, die Fremden für uns aufzuhalten – er will den Regenstein selbst in die Finger bekommen! Ich bin eine Närrin!«
Kemaq biss sich auf die Lippen. » Und was machen wir jetzt?«, fragte er.
» Es sieht so aus, als würden wir deine schnellen Beine doch noch brauchen, Chaski. Komm, wir müssen Tanyamarka verlassen, bevor es zu spät ist.«
Nabu drehte eine erneute Runde über der Stadt. Mila sah ein Gewirr von Flammen vor ihrem Inneren Auge. Da waren Häuser und Straßen, eine beeindruckend breite Mauer, die all das schützte, und darauf rannten Menschen hin und her. Es war anstrengend, dem Gewimmel zu folgen. Sie beugte sich vor, klopfte Nabu auf die Schulter – eine verwirrende Bewegung, weil sich das Bild nicht veränderte und sie die Schulter gar nicht sah – und rief: » Ich habe genug gesehen, Nabu.«
» Gut«, antwortete Nabu. Die Verbindung löste sich, die Flammen erloschen, und sie blieb wieder in Dunkelheit zurück. » Halt dich gut fest, ich glaube, dein Onkel will zeigen, was in uns steckt.«
» Was signalisiert er?«, fragte Mila.
» Tiefflug über die Mauer. Halt dich fest, Prinzessin.«
Und wieder stürzten sie sich hinab in die Tiefe. Der Wind brauste in Milas Ohren, dann fing der Drache sich ab, Pfeile und Steine prallten gegen seine Haut. Mila presste sich eng an Nabus Hals, denn wenn die Rüstung auch jeden Stein einfach abprallen ließ, so ließ der spanische Helm ihr Gesicht doch ungeschützt. Etwas streifte den Helmkamm, dann wurde das schwache Prasseln von Nabus lautem Gebrüll übertönt. Mila spürte, dass sie sehr tief über der Mauer waren. Männer schrien auf, und sie hörte das Klirren von Waffen, die weggeworfen wurden. Dann war es schon wieder vorbei, und Nabu glitt mit einem zufriedenen Knurren in eine weite Schleife. Er schlug mit seinen großen Schwingen, um wieder Höhe zu gewinnen. Hinter ihnen brüllte Marduk, und das Echo brach sich im Gewirr der Häuser.
» Hoffentlich reicht das aus«, seufzte Mila.
» Du meinst, damit sie sich uns ergeben? Da bin ich mir nicht sicher, Prinzessin. Diese Mauer wird einer Kanone und sogar einem Drachen standhalten können. Wenigstens eine Weile.«
» Aber sie haben doch sicher auch Tore, die ein Drache zerschmettern kann, oder?«
Nabu lachte. » Je nachdem, wie man es nimmt, Prinzessin. Es gibt, wenn ich das richtig gesehen habe, zwei Straßen, die in die Stadt hineinführen. Oder eine, die hindurchführt, wenn du so willst. Aber die beiden Tore kann man leicht übersehen. Eigentlich sind es eher Löcher, die sie in den Mauern gelassen haben. Ein Mann oder ein Lama passen sicher hindurch, aber schon ein Pferd müsste den Kopf einziehen, von seinem Reiter ganz zu schweigen.« Der Drache schüttelte sich. » Aber natürlich wird es am Ende sein, wie es immer ist – wir werden die Stadt nehmen. Leider bezweifle ich, dass diese Menschen dort unten das so schnell einsehen, wie sie sollten. Jetzt lass uns noch einmal über die
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