Drachensturm
Kemaq hatte diesen Ankay Yaya über der Stadt gesehen und auch schon in Chan Chan – er war schlanker als die meisten, sein grauer Panzer war hinter den Flügeln mit schneeweißen Schuppen durchsetzt, und auch in seinem Wesen schien Kemaq etwas Eisiges zu liegen. Wäre es jener Blaue gewesen, der ihn schon einmal verschont hatte, dann hätte es Kemaq vielleicht gewagt, sich einfach hinausgeschlichen und sein Glück versucht. Vielleicht hätte der Blaue ihn ja erneut verschont. Doch es war ein anderer, der dort kalten Herzens Lama um Lama tötete und verspeiste.
Die Reiter erreichten die Stadt als Erste nach den Drachen. Nabu zog immer noch niedrige Kreise über der Stadt, und von Zeit zu Zeit flog ein Pfeil oder ein geschleuderter Stein in seine Richtung, und Mila hörte sie von seinen Flügeln oder seiner Brust abprallen, ohne dass sie dort Schaden anrichten konnten. Mila vernahm die Kommandos des Reiterhauptmanns, der seine Leute vor der Stadt ausschwärmen ließ, dann hörte sie die Tiere über den steinigen Boden galoppieren, und von Zeit zu Zeit feuerten ihre Reiter Schüsse aus ihren Radschlosspistolen ab.
» Treffen können sie so kaum etwas«, brummte Nabu missbilligend, als sei er verärgert über die Verschwendung von Munition.
» Sie wollen wohl nur Eindruck schinden«, meinte Mila.
» Indem sie Löcher in die Luft schießen? Meinetwegen, sie sollten nur darauf achten, dass sie nicht aus Versehen uns treffen.«
Sofort dachte Mila wieder an den Zwischenfall bei der Schlacht von Chan Chan, als Felipe durch eine Kugel getötet worden war. Die Umstände waren nie aufgeklärt worden.
» Du denkst an Felipe?«, fragte Nabu, als sie längere Zeit schwieg.
» Eine verirrte Kugel im Kampf«, erwiderte Mila nachdenklich.
» Sicher keine aus diesen Pistolen, Prinzessin.« Der Drache ließ seine Muskeln spielen und brachte sie mit starken Flügelschlägen höher hinauf und damit außer Reichweite der Bogenschützen, die es immer noch nicht aufgegeben hatten, mit ihren Pfeilen, die doch nur mit Spitzen aus Bronze oder Stein versehen waren, auf den Drachen zu schießen.
Lauter Hörnerklang verriet Mila, dass nun auch die Hauptmacht der Spanier die Ebene vor der Stadt erreicht hatte. Die Reiter zogen sich zurück, und es wurde für einen Augenblick seltsam still über der Stadt. Mila lauschte: Auch der Hagel von Pfeilen und Steinen schien geendet zu haben. Dann rauschte ein anderer Drache näher heran. Es war Marduk, und der Hochmeister rief: » Mila, lande und unterrichte Don Hernando von der Lage. Dann könnt ihr hinüber auf die Südseite kommen. Schamasch hat ein paar Lamas gefunden.«
» Wie ist die Lage?«, rief Mila gegen den Wind zurück.
Nabu lachte. » Ich werde sie ihr erläutern, Maximilian«, rief er hinüber, und schon drehte er ab.
» Folgendes solltest du sagen, Prinzessin«, erklärte er, während sie schnell an Höhe verloren. » Die Indios haben keine tausend Mann, um ihre Mauern zu verteidigen. Aber der Wall selbst wird schwer zu durchbrechen sein, selbst für einen Drachen. Schamasch hat die Straße nach Süden blockiert, könnte aber ein paar Männer zur Verstärkung brauchen.«
» Mein Onkel sprach von Lamas«, wandte Mila ein. Sie war verstimmt, weil sie sich auf einmal nutzlos fühlte. Sie war auf Nabus Augen angewiesen.
Wieder lachte Nabu, dann sagte er: » Du musst ihm ja nicht die Motive für Schamaschs so umsichtiges Verhalten auf die Nase binden. Und wahrscheinlich hat Sir William es einfach verstanden, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Er ist ein erfahrener Ritter, weißt du?«
» Im Gegensatz zu mir?«, fragte Mila düster.
» Ich würde nicht tauschen«, erwiderte Nabu und setzte zur Landung an. Es roch immer noch verbrannt, und Mila fragte sich, wie lange der Wald wohl noch brennen würde. Aus der Ferne hörte sie einen der Hauptmänner Befehle in schlechtem Quechua brüllen. Er trieb die Indios an, die das Geschütz heranschaffen mussten.
Der Yaya vor dem Tor brüllte, und ein zweiter in der Luft antwortete. Der Weißgefleckte schlug mit den Flügeln und schwang sich in die Luft, aber schon landete ein anderer, es war der Graugrüne. Er ließ sich am Pferch nieder, stieß in einer erstaunlich schnellen Bewegung mit dem Kiefer in das Gatter und riss ein Lama. Dann hob er es auf die andere Seite, um es in Ruhe zu fressen.
» Auch sein Bauch wird irgendwann voll sein«, sagte Pitumi und setzte sich hinter die Brüstung der Mauer.
» Mir scheinen diese
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