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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Stadt fliegen. Ich hoffe, dass der Hochmeister uns bald zurückbefiehlt. Selbst das Fliegen ist eine elende Schinderei in dieser dünnen Luft, und ich brauche eine Stärkung, bevor ich für die Pizarros diese Stadt erobere.«
    » Vorsicht!«, rief Kemaq und zerrte Pitumi in den Eingang eines Hauses. Das riesenhafte graugrüne Ungetüm zog knurrend vorüber, seine schweren Flügel streiften Dächer und rissen Stroh und Sparren herab. Dann stieß es einen Ruf aus, so laut und durchdringend, dass Kemaq sich die Ohren zuhielt.
    » Los, weiter«, rief Pitumi.
    Aber Kemaq hielt sie am Arm fest. » Du rennst, obwohl du dein Ziel nicht kennst«, sagte er.
    » Was redest du da?«, rief sie wütend.
    » Ich kann verstehen, dass du es eilig hast, aber wir sollten doch erst überlegen, bevor wir einfach losstürmen«, versuchte Kemaq zu erklären. » Die Ankay Yayakuna sind in der Luft, und ich spüre wenig Lust, ihnen auf freiem Feld zu begegnen.«
    Pitumi starrte in den Himmel. Dann fluchte sie und trat zurück ins Haus. Es war verlassen, offenbar schon längere Zeit, wie Kemaq vermutete. Ob die Bewohner wohl auch jener Seuche zum Opfer gefallen waren, die vor wenigen Jahren durch das ganze Tawantinsuyu gezogen war?
    » Eigentlich gibt es nichts zu überlegen, Chaski«, sagte die Chachapoya jetzt. » Das Steinauge wird sich mit seinen Kriegern auf den Weg ins Regental machen, und wir müssen versuchen, vor ihm dort zu sein.«
    » Aber wie sollen wir an ihm vorbeikommen, wenn es nur einen schmalen Pass hinüber auf die andere Seite gibt, noch dazu einen Pass, der von einer Festung gesperrt wird?«, fragte Kemaq.
    » Ich weiß es doch auch nicht!«, herrschte Pitumi ihn an.
    » Es ist schade, dass das Bergwerk gesperrt ist. Es wäre doch sicher eine Abkürzung, oder?«
    » Natürlich, Chaski, warum sonst hätten die Berggötter sie anlegen sollen? Fast zwei Tage könnten wir sparen, wenn dieser Weg offen wäre, doch er ist es nun einmal nicht. Und die ganze Bergkette nördlich umgehen? Das würde Wochen dauern. Nein, da wir nicht hinüberfliegen können, müssen wir wohl versuchen, irgendwie an Rumi-Nahui vorbeizukommen. Das Regental ist zwar schmal, aber doch auch dicht bewaldet. Dennoch …« Die Heilerin verstummte. Kemaq starrte hinauf in den wolkenlosen Himmel, an dem die fremden Götter ihre Bahnen zogen. » Es ist schade, dass wir nicht eines dieser Wesen bitten können, uns hinüberzutragen«, murmelte er.
    Pitumi starrte ihn an, als würde sie plötzlich in seinen Worten eine Möglichkeit sehen – aber dann schüttelte sie den Kopf. » Nein, diese Wesen, die Fremden, sie dürfen nicht einmal in die Nähe des Regentempels gelangen, denn die Folgen wären furchtbar, bekämen sie den Stein in die Hand.«
    Kemaq konnte ihr nicht widersprechen. Die Fremden verfügten jetzt schon über große Macht, es wäre Wahnsinn, ihnen noch mehr zukommen zu lassen. » Der Weg außerhalb der Stadt bietet wenig Deckung«, sagte er nachdenklich.
    » Du kennst ihn?«, fragte Pitumi.
    » Natürlich, ich bin ihn schon zweimal gelaufen, jedoch nur bis zu unserem Lager in einem der Wälder.«
    » Gut, du kannst den Pass nicht verfehlen, denn der Weg führt genau dorthin«, sagte Pitumi.
    » Kommst du nicht mit?«, fragte Kemaq überrascht.
    » Ich würde dich doch nur aufhalten, Chaski«, antwortete sie lächelnd. » Außerdem habe ich zu tun, denn ich will versuchen, jene Chachapoya, die noch im Land unserer Ahnen leben, davon zu überzeugen, dir nichts zu tun.«
    » Aber ich dachte, sie antworten nicht auf deine Rufe«, erwiderte Kemaq.
    » Vielleicht bringen diese fliegenden Ungeheuer sie dazu, ihre Meinung zu ändern«, seufzte Pitumi. » Doch jetzt komm, ich geleite dich zum Tor.«
    Dort erlebten sie jedoch eine böse Überraschung: » Ich kann euch nicht hinauslassen«, sagte der Hauptmann, der das Tor mit einer kleinen Schar bewachte. » Der Curaca hat es mir verboten. Und ich kann es euch auch nicht empfehlen, denn auf der anderen Seite dieser Mauer hat sich einer der fliegenden Götter niedergelassen, seht selbst.«
    Er führte sie auf die Mauer, und sie spähten vorsichtig hinüber. Tatsächlich, dort, ein gutes Stück außer Reichweite der Bogenschützen, hatte sich der Gott neben einem Lama-Pferch niedergelassen. Gerade jetzt schossen seine mächtigen Kiefer herab, rissen eines der bedauernswerten Tiere aus dem Gehege und legten es vor der steinernen Einfriedung ab, wo er fraß, während sein Reiter noch auf seinem Rücken saß.

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