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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ich denke nur, wenn wir uns zu diesem Schritt entschließen, sollten wir uns über die Konsequenzen im Klaren sein.«
    Kemaqs Herzschlag setzte aus, als das eiskalte Wasser ihn verschlang. Die Strömung zog ihn nach unten und wirbelte ihn herum. Er schlug mit dem Knie gegen einen Felsen, schrie auf, schluckte Wasser und ruderte wild mit den Armen. Für einen Augenblick kam sein Kopf über die Wasseroberfläche. Er holte Luft, schluckte wieder Wasser und wurde von der Strömung gegen einen anderen Felsen geschleudert. Er wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Seine Glieder wurden im eiskalten Wasser taub, und er schaffte es kaum, noch einmal an die Oberfläche zu kommen und Luft zu holen. Der Bach schoss über einige Felsen hinweg und riss Kemaq mit sich. Er schlug mit dem Kopf irgendwo an, und wieder schluckte er Wasser. Der Bach wurde flacher, und er wurde über den steinigen Boden gewirbelt, prellte sich die Hüfte, ruderte verzweifelt mit den Armen, ohne etwas zu erreichen. Endlich, als Kemaq schon nicht mehr daran glaubte, ließ die Strömung nach, und er schaffte es irgendwie ans Ufer. Er zog sich zitternd auf den nackten Fels, hustete und würgte Wasser hoch. Er fühlte sich völlig zerschlagen, und jede Faser seines Körpers schmerzte. Aber er hatte überlebt. Er fror, und alles in ihm verlangte nach Ruhe und Schlaf.
    Fast hätte er dem Drang nachgegeben, aber dann, als er kein Wasser mehr herauswürgen musste, fiel ihm die Veränderung auf: Da war Licht. Schwach, entfernt, gestreut und gebrochen durch das wirbelnde Wasser des Baches, aber es war ohne jeden Zweifel Tageslicht. Mühsam kam er auf die Beine und hinkte voran. Es wurde heller. Jeder Schritt war eine Qual, aber das Licht zog ihn magisch an. Viel zu lange war er im Dunkel umhergeirrt, schon hatte er den Glauben daran verloren, jemals aus dem langen, finsteren Gang herauszukommen. Die Götter des Berges hätten ihn fast in ihrem Bach ertränkt, aber jetzt hatte er es geschafft. Der Ausgang – er hatte den Ausgang gefunden! Die Sonne war bereits aufgegangen, und als Kemaq endlich aus dem finsteren Stollen trat, schloss er geblendet die Augen. Er sank zu Boden und dankte Tamachoc, dass er ihn durch den Berg gebracht hatte.
    Es war warm, und die Luft schien ihm viel schwerer als in Tanyamarka. Er musste auf seinem Weg durch den Berg auch aus dem Hochland herabgestiegen sein. Kemaq kletterte aus dem schattigen Durchbruch, den der Bach in die Bergflanke geschlagen hatte, und sah sich blinzelnd um. Sei vorsichtig, mahnte eine innere Stimme, das ist das Land der Chachapoya. Der Bewuchs war dicht und zog sich über nahe, steile Hügelkämme. Die Bäume wirkten fremdartig, und sie schienen sich talabwärts zu kleinen Wäldern zu verdichten. Das frische grüne Gras sah einladend aus. Am liebsten hätte er sich hineingelegt und geschlafen. Aber er biss die Zähne zusammen und ging weiter. Payakmama hatte ihm gesagt, dass er dem Wasser folgen sollte. Es würde ihn zu dem Talkessel vor dem Tempel führen. Nicht nur mich, auch Rumi-Nahui und seine Krieger, schoss es ihm durch den Sinn. Für einen kurzen Augenblick war er in Hochstimmung gewesen. Doch jetzt wurde ihm wieder bewusst, dass der gefährlichste Teil des Weges noch vor ihm lag.
    Die Debatte war kurz und von einer seltsamen Eiseskälte. Im Grunde genommen waren alle Ritter dafür, sofort nach Tanyamarka zu fliegen und die Verschwörer zu stellen, koste es, was es wolle, auch wenn unklar war, was dort geschehen sollte. Sollte man sie einfach töten? Vor ein Gericht in Panama oder Spanien zerren? Sie gar den Drachen überlassen? Robert de Lanois und Don Alfonso de Pacheco waren der Meinung, das sei vielleicht das Beste, aber der Marschall entgegnete, dass sie wenigstens versuchen sollten, das Recht zu wahren, was die anderen Ritter nun doch gegen ihn aufbrachte. Graf Tassilo beteiligte sich überhaupt nicht an diesem Disput. Mila hätte gern gewusst, was in ihm vorging. Sie hatte ihn nie besonders gemocht, aber jetzt tat er ihr leid. Marschall di Collalto beendete die Versammlung dann ziemlich abrupt: » Ihr Herren, ich schlage vor, dass wir uns trennen, unsere Seelen im Gebet reinigen und unsere heißen Herzen kühlen. Dann, in einer Stunde, sollten wir wieder zusammentreten. Vielleicht wissen wir dann auch, was die Drachen tun wollen, denn wenn ich es von hier aus richtig sehe, sind auch sie noch uneins. In dieser Sache sollten wir, nein, müssen wir mit ihnen einig sein!«
    Als die kleine Versammlung

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