Drachensturm
sich mit dem Rücken dagegen. » Nur einen kurzen Augenblick«, murmelte er. Er nahm sich vor, sich nicht hinzusetzen. Dann saß er doch. » Nur einen Augenblick«, murmelte er, bevor er einschlief.
Mila hörte, wie Horus, der Drache des Marschalls, vor dem großen Haus landete, das einst dem Inka gehört hatte und nun das Quartier des Ordens geworden war. Sie saß drinnen, an einer gedeckten Tafel, ganz allein. Man hatte ihr allerlei Speisen aufgetischt, doch sie brachte keinen Bissen herunter und trank nur etwas Wasser.
» Habt ihr eine Entscheidung getroffen, mein Freund?«, hörte sie den Conte fragen, der hinausgetreten war.
» Wir wollen erst mit unserer Schwester sprechen«, erwiderte Horus.
Mila wäre fast der Becher aus der Hand gefallen.
» Eurer Schwester ?«, fragte der Marschall.
» Die Comtesse, Lorenzo«, erklärte der Drache knapp.
» Aber …«, begann di Collalto.
» Sie ist doch im Haus, oder?«
Mila nahm ihren Stab und tastete sich hinaus. » Ich bin hier, Horus«, rief sie.
» Ich weiß wirklich nicht, ob …«, begann der Marschall erneut und wirkte ziemlich verunsichert.
» Steig auf, Milena, die anderen warten schon«, unterbrach ihn Horus.
Mila folgte der Einladung sofort.
Es waren nur wenige Flügelschläge nötig, um sie auf den Hügel zu bringen. Horus setzte sanft auf. » Du kannst absteigen, wenn du willst, aber du kannst auch sitzen bleiben.«
» Ich will sehen, wie es Nabu geht«, sagte Mila und sprang ab.
Sie hörte, dass Kemosch, der Drache von Don Alfonso, ihr Platz machte, als sie zu Nabu eilte.
» Hast du jetzt etwas gespürt, Horus?«, fragte Nergal spöttisch.
» Nicht mehr als zuvor«, erwiderte Horus.
» Was gespürt?«, fragte Mila.
Nabu begrüßte sie mit einem freundlichen Schnauben.
» Wie geht es dir?«, flüsterte sie leise.
» Dein Licht hat uns gerufen, in der vergangenen Nacht. Wir alle haben es gesehen, und wir sehen es noch, Milena«, erklärte Horus. » Und das ist, um es einfach auszudrücken, ungewöhnlich.«
» Es war mir nicht bewusst«, sagte sie unsicher.
» Ich sagte doch, sie weiß nicht, was sie tut«, zischte Nergal.
» Sie hat die Verbindung gefunden, und sie hat sie gehalten, bis wir gelandet sind«, meldete sich Nabu brummend.
Mila tastete seine Flanke ab. Sie suchte die Wunde. Plötzlich war das Flammenbild wieder da. Es flackerte stark, und es zeigte ihr nicht Nabus Flanke, die sie vorsichtig betastete, sondern die anderen Drachen, was ziemlich verwirrend war.
» Das ändert nichts«, stieß Nergal hervor. » Es bringt Marduk nicht zurück.«
» Das ist richtig, Nergal, daran ändert es nichts«, stimmte Horus zu. » Aber dennoch will ich hören, was sie zu sagen hat, denn du kannst einwenden, was du willst, sie hat die Glut entfacht und das alte Feuer wieder geschürt. Oder leugnest du, dass unsere Flammen beinahe wieder so hell strahlen wie früher? Ich will hören, was sie sagt.«
Mila sah durch Nabus Augen, dass Horus sie neugierig betrachtete. Ihr war abwechselnd heiß und kalt geworden. Sie hatte die Glut geschürt? Was bedeutete das? Neun Drachen waren dort versammelt, und bis auf Nabu starrten sie alle an.
Der Schwarze Nergal lachte bitter auf: » Hören die Menschen denn jemals auf das, was wir sagen, Horus?«
Jetzt wandte sich Mila ihm zu: » Sie hören auf euch, Nergal. Es ist sogar so, dass sie mit euch gemeinsam beraten wollen, was jetzt zu tun ist.«
Nergal schnaubte verächtlich, aber Horus fragte: » Ist das so? Dann seid ihr klüger, als manche von uns dachten.«
» Beratungen«, mischte sich der starke Kemosch jetzt ein, » immer wollt ihr nur beraten! Ich sage, wir fliegen hin und töten sie alle!«
Keiner der Drachen widersprach, aber Horus sagte: » Wie ist deine Meinung dazu, Drachenschwester?«
Mila schluckte. Ihr wurde klar, welche Verantwortung auf einmal auf ihren Schultern ruhte. Sie dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie: » Auch die Ritter wollen Vergeltung, so wie ihr, obwohl ihnen der Marschall gesagt hat, welche Konsequenzen das haben kann.«
Die Drachen wurden unruhig. » Wollen sie sich herausreden?«, zischte einer.
Mila erkannte die Stimme als die von Ianus wieder, dem Drachen von Don Mancebo, der sonst doch so zurückhaltend war, und entgegnete: » Nein, keineswegs. Der Marschall hat ihnen – nein uns, denn auch ich zähle ja zu den Rittern – nur erklärt, dass wir uns damit gegen mächtige Feinde stellen. Hernando Pizarro und die Priester haben eine Anklage gegen
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