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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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dass auch dieser Stollen von einem Bach gegraben worden war – hatte sein Gehör ihm noch Anhaltspunkte geliefert. Da hatte er doch wenigstens ansatzweise hören können, ob der Stollen schmaler oder weiter wurde, oder ob irgendetwas ihm den Weg versperrte. Hier jedoch übertönte das Brausen des Baches alles. Und so fühlte er sich nicht nur blind, sondern auch noch taub, als er sich weiter vorantastete. Allmählich verlangte sein Körper auch nach Ruhe. Er hatte den ganzen vergangenen Tag und die halbe Nacht durchgearbeitet und irrte nun schon seit Stunden durch die Dunkelheit. Kemaq biss die Zähne zusammen. Er durfte jetzt nicht nachlassen. Er würde verfolgt werden. Wenn sie mit ihren fliegenden Göttern über den Berg kommen, ist ohnehin alles verloren, dachte er.
    » Aber die Chachapoya lassen sie nicht über den Berg«, erwiderte er, und er sagte es laut, um sich Mut zu machen. Doch seine eigenen Worte wurden vom Lärm des tosenden Gewässers verschluckt.

45 . Tag

    Mila sah, dass es bereits dämmerte, als sie sich endlich Caxamalca näherten, denn das Flammenbild vor ihrem Inneren Auge wurde heller. Sie fühlte sich völlig zerschlagen und von tiefer Traurigkeit erfüllt. Ihr Onkel war tot. Nabu hatte ihr empfohlen, auf seinem Rücken zu schlafen, aber sie wollte nicht. Noch nie hatte sie so lange durch seine Augen sehen können, und sie hatte Angst, dass sie diese Fähigkeit im Schlaf wieder verlieren könnte.
    » Sieh nur«, rief Nabu. Und Mila sah – sie sah die Drachen über den heißen Quellen von Caxamalca kreisen.
    » Es sind fast alle«, rief Behemoth herüber.
    Nabu schien seine Augen nicht von diesem Bild lösen zu können, aber ohne Zweifel, es kreisten dort sieben Drachen in der Morgendämmerung, und es sah fast aus, als würden sie die beiden Ankömmlinge erwarten. Jetzt löste sich einer von ihnen aus dem Schwarm und kam ihnen entgegen. Es war Nergal. » Wir haben euch erwartet«, rief er.
    » Ihr habt das neue Licht gesehen?«
    » Wir waren nicht sicher, was es bedeutet. Es ist fast wie in alter Zeit.«
    » Was für ein Licht, Nergal?«, fragte Mila.
    Aber er gab ihr keine Antwort, sondern rief: » Zwei andere Flammen können wir jedoch nicht mehr sehen.«
    » Marduk ist gefallen. Ebenso Schamasch.«
    Nergal zischte: » Also ist ihr Feuer wirklich erloschen! Wie konnte das geschehen?«
    » Wir wurden verraten, Nergal, von Balian und seinem Bruder. Doch lass uns landen. Dieser Flug war anstrengend.«
    Nergal fauchte wütend und drehte eine Rolle in der Luft. Dann schoss er so dicht über Mila hinweg, dass sie unwillkürlich den Kopf einzog, und blieb nun ein Stück über ihnen.
    » Verrat also«, zischte er von oben herab. » Ich habe es kommen sehen.« Und dann schoss er mit einem wütenden Brüllen davon.
    Durch Nabus Augen sah Mila unten das große Haus des Inka. Männer in blinkender Rüstung standen davor. Sie wurden also auch von den Rittern des Ordens erwartet. Die Drachen kreisten über ihnen. Mila fror. Ihr Onkel war tot, Sir William ebenfalls, und zwei Drachen waren gefallen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie all das erklären sollte, und noch weniger wusste sie, was jetzt zu tun war.
    Der Bach schlängelte sich in langen Windungen durch den Fels. Einmal wurde der Gang so niedrig, dass Kemaq den Kopf einziehen musste. Wieder kamen die Zweifel zurück, ob er auf dem richtigen Weg war. Dann stand er plötzlich vor einer Wand. Sie versperrte ihm den Weg. Links von ihm donnerte der Bach. Er tastete sich vor, weil er hoffte, dass es nur eine Steinsäule war und der Weg hinter ihr weiterführte, aber so weit er den Arm auch ausstreckte, seine Finger bekamen nur glatten Stein zu fassen. Eine Sackgasse! Er konnte es nicht fassen. Er war so weit gekommen, und nun sollte es nicht weitergehen? Er atmete tief durch und tastete den Felsen ab. Da! Eine Kerbe im Stein. Er strich darüber. War es nur eine zufällige Einkerbung? Seine Finger tasteten die Kerbe entlang. Eine Schlange. Jemand hatte das Bild einer Schlange in den Fels geschlagen. Doch was half ihm das?
    Der Bach brauste mit Macht an ihm vorüber. Die Priester würden doch wohl kaum den weiteren Weg geschwommen sein. Er betastete die Schlange noch einmal. Natürlich – sie war ein Hinweis. Die deutliche Schlangenwindung war ein Zeichen: Er musste auf die andere Seite des Baches. Doch wie? Das ohrenbetäubende Brausen verriet ihm, dass die Strömung stark und der Bach breit war. Wie waren die Priester auf die andere Seite gelangt? Mit

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