Drachensturm
meinen Onkel und auch mich verfasst. Sie beschuldigen mich der Hexerei, auch, weil ich euch Drachen so nahestehe. Somit haben sie sich den Anschein gegeben, im Namen des Gesetzes zu handeln.«
» Lächerlich«, schnaubte Nergal.
» Ich dachte das Gleiche, wohl jeder von uns war dieser Ansicht«, erklärte Mila, » doch als ich eine Weile darüber nachgedacht habe, habe ich verstanden, was der Marschall meinte. Wenn wir aufbrechen und das Gesetz in die eigene Hand nehmen, dann kann das unser Ende bedeuten. Der Orden hat doch schon jetzt in Spanien und im Reich mehr Feinde als Freunde. Und sie alle warten nur darauf, dass wir einen Fehler machen. Denkt an das, was den Templern und ihren Drachen widerfahren ist.«
» Menschen«, brummte Horus nachdenklich, » alles machen sie schwer, wo es doch so einfach sein könnte. Es war Mord, ob im Namen eines Gesetzes oder nicht. Rätst du uns etwa, nichts zu tun, Schwester?«
Mila fragte sich immer noch, warum Horus sie so nannte, aber sie antwortete: » Nein, natürlich nicht. Ich will euch nur sagen, was es bedeuten kann, wenn wir tun, was wir alle wollen.«
Nergal knurrte: » Sie haben uns verraten, sogar ein Ritter und ein Schildknappe dieses Ordens. Wenn es nach mir geht, sollten wir dieses alte Bündnis endlich kündigen, das uns doch nichts als Kummer und Leid gebracht hat. Wir können frei sein, wir brauchen die Menschen doch viel weniger als sie uns!«
» Marduk hätte das nicht gewollt«, entgegnete Horus.
» Aber Marduk ist tot«, zischte Nergal, » und nun ist es gekommen, wie ich gesagt habe – der Orden geht zugrunde, und die alten Eide erlöschen.«
» Wisst ihr«, warf Nabu plötzlich ein, » ich spüre wenig Sehnsucht nach der alten Zeit vor dem Bündnis. Du sagst, wir waren frei, Nergal? Gejagte waren wir! Niemals hatten wir Ruhe, um jede Mahlzeit mussten wir mit den Menschen – oder einem anderen Drachen – kämpfen, und immer mussten wir ein Auge offen halten, wenn wir schliefen. Nein, ich sehne mich wirklich nicht nach dieser Zeit zurück, und ich denke, unsere Schwester hat Recht. Wenn wir heute Rache nehmen, wird dieser Orden untergehen. Aber«, fuhr er fort und hob die Stimme, um Nergals wütendes Zischen zu übertönen, » ich bin wenigstens so weit mit dir einig, Nergal, dass dieser Orden ohnehin dem Untergang geweiht ist! Sie haben uns Drachen lange geduldet, weil wir nützlich für sie waren. Doch jetzt, da wir uns weigern, ihre Bauern zu töten, die doch nur ihr Recht verlangen, und auch nicht gegen unbewaffnete Indios kämpfen wollen, die nur ihre Heimat verteidigen, jetzt, da der Herr dieses Landes in ihrer Gewalt ist, jetzt werden sie glauben, dass wir unnütz geworden sind. Wir sind die letzten unserer Art, und für jeden von uns, meine Brüder, ist schon irgendwo eine Drachenbüchse geschmiedet und eine Kugel gegossen. Nein, unsere Zeit ist um, ob wir ihren Gesetzen nun folgen oder nicht. Und deshalb sage ich, wir sollten tun, wonach es uns verlangt. Alles andere würde das Unausweichliche doch nur hinauszögern. Wir sind zum Tode verurteilt, durch schändlichen Verrat, und der Orden der Drachenritter mit uns.«
Die Drachen knurrten zustimmend. Mila schnürte es die Kehle zu, als sie Nabu so reden hörte, denn ihr wurde mit schneidender Schärfe klar, dass er Recht hatte: Der Orden war am Ende.
» Nur eines noch, Brüder«, sagte Nabu, » die Menschen sind eidbrüchig geworden, und wir sind ihnen gegenüber zu nichts mehr verpflichtet, aber lasst uns untereinander weiter zusammenhalten und nicht in jene dunklen Zeiten zurückfallen, als wir einander Feinde waren.«
» Das mag gelten, solange unsere Rache nicht erfüllt ist«, erwiderte Nergal, » danach wirst du dich nicht mehr hinter unserem Bund verstecken können.«
» Aber Nergal!«, rief Mila.
» Lass nur, Prinzessin, das ist eine Drachenangelegenheit«, meinte Nabu ruhig.
Die anderen Drachen brummten zustimmend.
» Dann haben wir uns entschieden?«, fragte Horus ruhig.
» Wir haben entschieden«, erwiderte Nabu.
Er trug Mila anschließend hinunter zum Quartier der Ritter. Die anderen Drachen folgten. Die Beratung dauerte nicht lange. Horus sagte: » Wir sind uns im Klaren darüber, dass unsere Zeit zu Ende geht, und es scheint gleich, ob wir nun Rache üben oder nicht. Deshalb lautet unsere Frage eigentlich nur, ob ihr mit uns in den Kampf zieht, oder ob sich unsere Wege hier trennen, Lorenzo.«
Durch Nabus Augen sah Mila, dass der Marschall nur kurz in die Runde der
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