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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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auseinanderlief, bat der Marschall Mila, noch einen Augenblick zu bleiben. Sie stand vor dem Haus des Inka und spürte die Sonne auf ihrem Gesicht. Es war kühl, doch würde es ein schöner Tag werden, was ihr sehr falsch erschien. Es hätte regnen und stürmen müssen.
    » Habt Ihr mir vielleicht noch etwas zu berichten, Comtesse?«, fragte der Marschall.
    Mila runzelte die Stirn. » Was meint Ihr, Conte?«
    Offenbar bemerkte er, dass sie wirklich nicht wusste, worauf er hinauswollte, denn er seufzte und sagte: » Als Ihr vorhin abgestiegen seid, von Nabus Rücken. Da hat Euch Don Mancebo die Hand gereicht. Nun, Ihr habt sie genommen, und ich frage mich, wie Ihr gewusst habt, wo sie war, wo Ihr doch blind seid …«
    Mila wurde rot und wusste nicht, was sie sagen sollte.
    » Kann ich annehmen, dass es Nabu gelungen ist, mit Euch die Verbindung aufzunehmen?«, fragte der Marschall freundlich.
    » Ihr … Ihr wisst davon?«
    Der Conte lacht laut auf. » Aber Comtesse«, sagte er, » niemand kennt sich in den Archiven unseres Ordens so gut aus wie ich. Habt Ihr das vergessen?«
    » Nabu riet mir davon ab, es jemandem zu verraten«, sagte Mila kleinlaut.
    » Nicht ohne Grund nennt man ihn den Weisen«, meinte der Lombarde lakonisch. » Ihr seid nicht die Erste, der diese Gnade zuteilwurde, Comtesse, auch wenn es sehr selten geschieht und meines Wissens bislang nur Männern widerfuhr, die der Drachenfluch nach langem Dienst im Orden ereilte. Wenn diese finsteren Tage vorüber sind, müsst Ihr mir unbedingt Einzelheiten berichten. Allerdings solltet Ihr wirklich vorsichtig sein, wem Ihr sonst noch davon erzählt. Eure Feinde würden sich bestätigt sehen, wenn sie davon wüssten. Vergesst nicht, dass sie Euch ohnehin schon der Hexerei beschuldigen.«
    Mila nickte düster. Wie könnte sie das vergessen?
    » Doch genug davon!«, rief di Collalto. » Geht Euch stärken, Ritterschwester, dieser Tag wird noch viel Kraft von Euch verlangen.«
    » Ich dachte, es sei noch gar nicht entschieden, was wir unternehmen?«, erwiderte Mila.
    Der Marschall lachte verhalten. » Glaubt Ihr wirklich, das stünde noch in Frage? Ich wünschte, dass unsere Ritter nicht unbedacht in den Kampf ziehen, denn Zorn ist ein schlechter Ratgeber, aber dass wir in den Kampf ziehen, das ist doch längst beschlossene Sache. Ich wollte, es gäbe noch eine andere Möglichkeit, aber, nein, nichts auf dieser Welt könnte unsere Drachen davon abhalten, für diesen Verrat Vergeltung zu üben.«
    Kemaq lief. Es sollte ein gutes Gefühl sein, aber das war es nicht. Die Wirkung des Kuka, das er für die Arbeit im Berg bekommen hatte, ließ nach, und die Müdigkeit, die er mit der heiligen Pflanze verdrängt hatte, kehrte mit aller Macht zurück. Mehr als einen ganzen Tag und eine ganze Nacht war er nun schon auf den Beinen. Seine Hüfte, mit der er im reißenden Bach gegen einen Stein geprallt war, schmerzte, und sein Knie ebenfalls. Es war das angeschlagene, das er dem Chimú-Läufer zu verdanken hatte. Er biss die Zähne zusammen und hinkte weiter. Es war warm auf dieser Seite der Berge, viel wärmer als drüben – der Schweiß lief ihm in die Augen, und sein Magen knurrte, denn der hatte außer Kuka-Brei lange nichts bekommen. Der Bach, der ihn aus dem Berg herausgeführt hatte, eilte neben ihm her, und sein hell sprudelndes Plätschern klang, als würde er ihn auslachen. Er lief eine Stunde, eine zweite. Er sah noch keine Zeichen von Rumi-Nahui und seinen Kriegern. Sollte er sie wirklich überholt haben? Sie wussten nichts von seinem Weg, also hoffte er, dass der Feldherr sich Zeit ließ. Aber er ist kein Mann mit viel Geduld, sagte seine innere Stimme.
    » Aber ich würde den Rauch seiner Feuer sehen, wenn er vor mir wäre«, erwiderte Kemaq laut.
    Hinter dir siehst du sie aber auch nicht, meinte die Stimme.
    Kemaq nickte. Da hatte sie Recht. Aber warum war er stehen geblieben? Er setzte sich wieder in Bewegung.
    Du kannst die Strecke nicht in einem Stück laufen.
    » Aber ich kann auch nicht warten, bis meine Verfolger kommen«, sagte Kemaq. Er sagte sich, dass es nur die bleierne Müdigkeit war, die ihn hier zu so seltsamen Selbstgesprächen verführte.
    Und genau deshalb solltest du einen kurzen Augenblick rasten, nur einen Augenblick, nicht länger. Du kannst dich an einen Baum lehnen, wenn du Angst hast, dass du einschläfst, schlug die innere Stimme vor.
    Kemaq sah einen Baum. Er war fremdartig wie alles, was auf dieser Seite der Berge wuchs. Er lehnte

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