Drachentau
lächelte. »Natürlich. Bodo kommt zum Kaffee.«
»Also Bodo, der Arme. Wollte doch die Rosa heiraten. Ja, die ist ja weg. So ein nettes Mädchen. Warum nur ... ich meine der Drache ... Ist sie wirklich mit dem Drachen gegangen? Der hat sie längst gefressen, glaubst du nicht? Ich hätte das von der Rosa nicht gedacht. War doch immer so verständig und so freundlich. Nein, nein, der arme Bodo. Aber warum kommt er zu dir? Bist du nicht zu alt für ihn? Der soll sich ein junges Bärenmädel nehmen. Ist doch so gut aussehend.«
Emilia unterdrückte ein Lachen. »Er kommt nur auf einen Plausch, Emma. Wir sind Freunde, sonst nichts. Was macht das bitte?«
Emilia bezahlte, nickte zum Abschied und wandte sich zum Gehen.
»Ach, Emilia, würdest du mir einen Gefallen tun?«
Emilia drehte sich noch einmal um. »Selbstverständlich gerne, worum geht es?«
»Ach, weißt du, der Jakob. Ich meine, er war doch so ein guter Kunde. Hat immer meine Eier gekauft.«
»Und?«
»Ach, Emilia, es ist ein Jammer. Ich meine, ihr wart doch so ein schönes Paar.«
»Wir waren kein Paar, Emma.«
Emma stutzte kurz. »Was nicht? Doch, doch, das hat jeder gesehen, dass ihr euch liebt.« Sie seufzte.
»Welchen Gefallen, Emma?«
»Was? Gefallen? Ach so, ja. Also, der Jakob, der redet doch mit niemandem mehr, seit die Rosa weg ist. Ich habe hier ...« Emma holte einen Korb hinter dem Tresen hervor, gefüllt mit Weizenbrot, Honig und Eiern. »Ich meine, weil er doch mein bester Kunde war. Würdest du den Korb bei ihm vorbeibringen?«
Emilia zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Emma. Aber auch ich kann bei Jakob nichts werden. Auch mit mir redet er nicht mehr. Ich fürchte, ich kann dir nicht helfen.« Ein weiteres Mal wandte Emilia sich zum Gehen, abermals drehte sie sich an der Tür um und schaute in Emmas enttäuschtes Gesicht. »Gib mal her, ich will es wenigstens versuchen.«
Emma strahlte. »Ach, du hast ein gutes Herz, Emilia. Hab vielen Dank dafür. Und sag Jakob viele Grüße.«
»Mach ich.«
Die Frauen nickten sich zum Abschied zu und Emilia verließ endgültig den kleinen Laden.
Mit raschen Schritten ging sie nach Hause, stellte ihren Korb auf den Küchentisch und setzte sich in den Schaukelstuhl, Emmas Korb auf dem Schoß. Die Bilder vom Tag, an dem Rosa verschwand, kamen zurück. Nie war sie Jakob näher gekommen als an diesem Tag. Genau hier hatte sie gesessen, nachdem er sie nach Hause gebracht hatte. Sie war besorgt um Rosa, aufgewühlt von der Hoffnung, Jakob würde einen Schritt auf sie zu gehen und seine Liebe bekennen. Dann hörte sie die Glocke, lief nach draußen, sah den Drachen kommen, direkt über ihren Kopf hinwegfliegen. Böse Vorahnungen schütteten sich kübelweise über sie aus. Wie betäubt rannte sie den Mittelweg hinunter. Atemlos sah sie gerade noch, wie Rosa mit Tumaros davonflog. Jakobs verzweifeltes Schreien zeriss ihr das Herz. Rosa war weg. Jakob lag am Boden, gekrümmt, vom Schluchzen geschüttelt. Emilia berührte ihn sanft, sagte tränenüberströmt leise seinen Namen.
Jakob verstummte, schob ihre Hand weg und sah sie mit gebrochenem Blick an. »Verschwinde, Emilia! Du siehst doch, was mit denen passiert, die ich liebe.«
Emilia stürzte in einen endlosen Abgrund. »Jakob, schick mich nicht weg. Es ist nicht deine Schuld«, sagte sie mit brüchiger Stimme.
Jakob stand auf. »Geh nach Hause.«
Es waren die letzten Worte, die er zu ihr gesprochen hatte. Seit dem hüllte er sich in Schweigen. Emilia war noch ab und zu vorbeigekommen. Seine Hütte war abgeschlossen. Sie hatte ihn durch das Fenster gesehen. Er öffnete nicht.
Emilia seufzte tief und schaute auf den Korb.
Wenn er nicht öffnet,
dachte sie,
stelle ich ihn einfach vor die Tür.
Emma hatte eine kleine Karte mit einem Gruß hineingelegt. Emilia wischte sich die Tränen fort und stand auf. Am besten, sie brachte es gleich hinter sich. Entschlossen marschierte sie zu Jakobs Hütte und fand ihn auf seiner kleinen Holzbank vor dem Gartenzaun. Er schaute auf den Boden.
»Warum tust du mir so weh, Jakob? Sind es nicht genug Schmerzen, dass Rosa weg ist? Können wir es nicht gemeinsam durchstehen?«, brach es aus ihr heraus.
Jakob hob den Kopf. »Ich habe dir nie etwas versprochen.«
»Nein, hast du nicht! Nicht mit Worten. Aber mit Blicken. Mit Gesten. Mit Taten hast du mir alles versprochen.«
Emilia stiegen Tränen in die Augen. Jakob sah sie an. Ihre Blicke trafen sich. Hielten sich fest. Viele lange Sekunden.
Dann riss er
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