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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
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dann schob sie einen nach dem anderen aus dem Wald heraus. Helles Sonnenlicht empfing sie. Sie bedeckten ihre Augen mit den Händen, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten. Alles sah noch genauso aus, wie Rosa es kannte. Rasch wischte sie die aufkommenden Tränen fort. Aus Jakobs Hütte stieg Rauch und die Brombeeren am Mittelweg rüsteten sich für die Blüte. Die Luft war leicht und frisch und strömte tief in die Lungen.
    »Kommt Kinder! Noch ein kleines Stück die Straße hinunter, dann sind wir da.«
    Auf der Bank vor dem Gartenzaun saß Jakob. Dort, wo er immer gesessen und auf sie gewartet hatte, wenn sie verspätet heimkam. Rosa blieb das Herz stehen. Sie fuhr sich mit den Händen über den Kopf und strich die nicht mehr vorhandenen Haare nach hinten. Er blickte sie an, erst versteinert, dann ungläubig und schließlich fassungslos. Rosa erwiderte seinen Blick und schluckte mit aller Kraft den Wunsch hinunter, in seine Arme zu laufen und sich an ihm festzuklammern. Ich darf nicht mit dir reden, versuchte sie mit ihrem Blick zu sagen. Jakob stand auf und dann begriff er. Langsam setzte er sich wieder und starrte der kleinen Gruppe hinterher.
    »Wer war der Bär, Mama«, fragte Bernhard. »Warum hat der so geguckt?«
    »Er wohnt dort in der Hütte«, antwortete Rosa. Die Kinder wollten stehen bleiben und sich die Hütten, Bänke, Gärten und Zäune ansehen. Aber Rosa schüttelte den Kopf. Die Bärenschule begann pünktlich um zehn.
    Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Gleich hinter dem Dorfplatz am Mittelweg stand das Schulgebäude. Rosa öffnete die Tür und ging als Erste hinein. Mischa, der Dorfälteste hatte das Lehreramt inne. Er trat aus dem Klassenraum in den Flur, um zu sehen, wer da käme, und staunte nicht schlecht, als er die fünf Bären sah. Sprachlos musterte er sie. Dem Staunen folgte schnell Abscheu, als er in der zerrupften Bärin Rosa erkannte.
    »Was wollt ihr hier?«, fand er seine Sprache wieder.
    Rosa schluckte. »Grüß dich, Mischa. Das sind meine Kinder. Sie sollen zur Schule gehen.« Sie sah ihn erwartungsvoll an.
    »In diese Schule? Das ist doch nicht dein Ernst? Was sind das für Kinder, Rosa? Wer ist ihr Vater?«
    »Tumaros ist ihr Vater.«
    Mischa kam auf Rosa zu. »Tumaros? Du glaubst doch nicht, dass ich Drachenkinder hier zur Schule gehen lasse? Was denkst du, wer du bist? Fliegst auf einem Drachen davon und kommst hier vorbei, als wäre nichts geschehen. Jakob hat mit niemandem ein Wort gesprochen, seit du weg bist. Schau dich an, wie du aussiehst. Wir wollen keine Drachen in Mühlenau. Nimm deine Blagen und verschwinde.«
    Die Bärenkinder blickten beschämt auf den Boden. Rosa wurde schwindelig, als sie von Jakob hörte.
    »Es sind Bärenkinder, und zwar meine. Sie haben ein Recht, hier zur Schule zu gehen. Du musst sie nehmen.«
    »Du hast hier kein Recht mehr, Rosa. Du bist eine Drachenbraut. Was soll ich mit den Kindern anfangen. Der da ist noch viel zu klein.« Er zeigte auf Bernhard. »Außerdem hat er blaue Augen. Sieht jeder gleich, dass er ein Drache ist. Ich sage dir, verschwinde.«
    »Und ich sage dir, du lässt die Kinder hier zur Schule gehen«, ertönte eine energische, wohlbekannte Stimme hinter Rosa.

Drachenbären
    Die kleine Glocke ertönte in der Frühe und durchbrach die Stille in Emmas Laden. Emilia betrat den kleinen Verkaufsraum und blickte sich um. In der Mitte stand der stets saubere Tresen, dahinter waren Regale mit vielen kleinen Schubladen, Bonbongläsern, frischgebackenen, duftenden Broten und Kisten mit allerlei Gemüse. Linker Hand standen zwei große Säcke mit Weizen und Hafer, davor war ein Regal, vollgestopft mit Eiern.
    »Ich komme gleich«, hörte sie Emmas piepsige, sich fast überschlagende Stimme aus dem Nebenraum. Dann erschien die rundliche, kleine Bärin mit kurzem, braunen Fell hinter dem Tresen.
    »Ach, Emilia, wie schön dich zu sehen. Wie geht es dir? Hast du schon gehört? Mischa wird in diesem Jahr die Kinder unterrichten. Ich war ja gleich dafür, dass er das Amt bekommt. Weiß auch nicht, warum sich immer alle so zieren. Aber die Kinder sind heute nicht mehr so wie früher. Zu meiner Zeit ...»
    »Hast du ein Brot für mich? Ich komme heute nicht zum Backen«, unterbrach Emilia sie.
    »Was? Ach ja. Ein Brot? Natürlich. Welches darf es sein?«
    »Bitte gib mir ein Weizenbrot, ich bekomme heute Besuch. Auch ein Glas Honig, wenn es recht ist.«
    »Du bekommst Besuch? Soso, darf man fragen, wer denn kommt?«
    Emilia

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