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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
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sich los. »Geh nach Hause.«
    Emilia stellte den Korb auf den Boden, wischte sich die Tränen fort und ging zurück.
    Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Drachenwunden sind wie eiternde, tief sitzende Beulen, die den ganzen Körper vergiften und lähmen. Jakob war ein gebrochener Mann. Der stolze Krieger war im Kampf gefallen. In einem Kampf, den man nicht gewinnen konnte. Nur noch seine äußere Hülle war übrig.
Liebe
, dachte Emilia,
kann Tote zum Leben erwecken, wenn man sie sich nicht verbietet.
    Sie erreichte ihre Hütte. Seufzend schaute sie noch einmal zurück, bevor sie die Pforte öffnete und ins Haus ging. Es war fast Mittag. Höchste Zeit, Kuchen zu backen. Bodo würde bald kommen.
    Wenn du bei einem Bären zum Kaffee eingeladen bist, erwartet dich immer Weizenbrot mit Honig. Nicht, dass Bären nicht backen können. Im Gegenteil, sie zaubern die herrlichsten Kuchen, Torten und Kekse. Aber nichts lieben sie so sehr wie Weizenbrot mit Honig. Emilia legte Emmas Brot ins Regal zu den anderen. Sie nahm ihr eigenes in die Hand und bereitete den Kaffeetisch für Bodo.
    »Wenn dieser grässliche Drache nicht wäre, wärst du jetzt meine Schwiegergroßmutter.« Bodo saß in Emilias Ohrensessel, rührte seinen Kaffee und betrachtete im Kamin, wie das Feuer die Holzscheite verzehrte.
    Emilia saß neben ihm in ihrem Schaukelstuhl und tat das Gleiche. »Ich war heute Morgen bei Jakob.«
    Bodo hob die Augenbrauen. »Wie kommt es? Hat er mit dir gesprochen?«
    »Ja, hat er. Aber er hat nichts Nettes gesagt. Es ist, als hätte der Drache ihn auch mitgenommen. Ich kenne diesen Bären nicht mehr, der in Jakobs Hütte wohnt.«
    Bodo holte tief Luft. »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Rosa denke. Ob sie noch am Leben ist? Und wenn ja, was tut sie da oben? Ich frage mich oft, ob ich es nicht hätte verhindern können. Vielleicht hätte ich ihr meine Liebe deutlicher zeigen sollen. Ich war mir so sicher, dass sie mich auch mag.«
    »Du hast nichts falsch gemacht, Bodo. Niemand konnte damit rechnen, dass Tumaros es auf Rosa abgesehen hatte.«
    Bodo zuckte zusammen. »Sprich diesen Namen nicht aus, bitte nicht. Nichts hasse ich mehr als dieses Ungeheuer.«
    »Wir alle hassen ihn.«
    »Am schlimmsten ist, dass man nichts tun kann.«
    Die beiden schwiegen eine Weile und sahen den Flammen zu.
    »Es sind schon gute drei Jahre, dass Rosa weg ist«, sagte Emilia. »Mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen. Ich höre noch immer Jakobs Schrei. Genau wie damals, als Walburga starb.«
    »Du hast es miterlebt, Emilia. Ein bisschen kann ich Jakob verstehen. Irgendwann hat man einfach zu viel Schmerz ertragen. Dann geht nichts mehr. Außerdem gibt er sich die Schuld.«
    »So ist Jakob. Er will beschützen. Und wenn es nicht gelingt, ist er allein schuld. Wer konnte wissen, warum dieser Drache ein Jahr lang über unser Dorf geflogen ist. Es war wirklich ein teuflischer Plan.«
    »In meinen Träumen ist Rosa schon hundertmal zurückgekommen und ich habe sie zur Frau genommen.«
    Emilia lächelte Bodo an, wurde dann wieder ernst. »Wenn sie je zurückkommen sollte, wird sie tief verwundet sein.«
    »Liebe kann Wunden heilen, Emilia. Das wirst du auch noch sehen, glaub mir. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.«
    »Für so einen jungen Bären bist du doch schon recht weise, mein Guter.« Sie lachten sich an.
    »Auf jeden Fall bin ich weise genug, dein Honigbrot nicht stehen zu lassen. Das wäre ein großer Fehler.«
    »Und ob!«
   
    Jakob betrachtete den Korb, den Emilia stehen ließ. Sollte er ihn nehmen? Warum nicht. So schnell würde sie nicht wieder kommen. Er las den Gruß von Hühner-Emma.
Für meinen besten Kunden,
stand darauf. Das war er nicht mehr. Wenn man keine Bären in sein Leben ließ, konnte man auch keine verlieren. Jeden Tag sah er zum Wald, zu der Stelle, an der er Rosa zum letzten Mal gesehen hatte. Jeden Tag erlebte er es noch einmal. Schrie ihren Namen. Weinte. Jede Nacht wachte er schweißgebadet auf, hatte Rosa im Traum gesucht, konnte ihr nicht helfen. Er dachte an seine Tochter Lena, die schreiend zusammenbrach, als sie von Rosa erfuhr.
Ich habe ihr das Liebste genommen,
dachte Jakob,
habe zu spät gehandelt, zu spät begriffen, was der Drache wollte.
Jetzt war Rosa bei ihm, seitdem hatte er das Dorf nicht mehr heimgesucht, aber Jakob hatte ihn manchmal um den einsamen Berg fliegen sehen und ihm war, als säße Rosa auf seinem Rücken. Die Tage vergingen, einer um den anderen und nichts

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