Drachentau
schauen.«
Bodo sah beschämt auf den Boden.
»Setz dich in unsere Runde, Bodo, und halte mit uns Rat.«
Ihm wurden die Knie weich. Bemühend, sich nichts anmerken zu lassen, setzte Bodo sich.
Eschagunde nickte Emilia zu. »Nun, Emilia, erzähle du, was geschehen ist. Lass kein Detail aus. Alles kann wichtig sein für unseren Plan.«
Und Emilia berichtete, wie der Drache das erste Mal über das Dorf flog, Jakob und Mischa den Rat beriefen. Wie sehr sie auf Eschagunde gewartet hatten. Von den Nächten voller Angst, wenn der Drache über sie hinwegflog. Wie Rosa sich veränderte und schließlich mit Tumaros ging. Wie sie wieder auftauchte mit ihren Kindern. Wie elend und verwundet sie aussah. Dass Mischa seit zehn Jahren Lehrer war, weil keiner Drachenkinder unterrichten wollte. Dass Rosa seit dem Sommer nicht mehr kam. Von Jakob, seinem Schweigen und ihrem gebrochenem Herzen sagte sie nichts. Eschagunde blickte ernst, nickte und schwieg eine Weile, in der sie Jakob und Emilia aufmerksam beobachtete.
Dann wurde Bodo aufgefordert zu berichten. Auch er machte seinem Herzen Luft, erzählte, wie sehr er Rosa liebte, wie schön ihre Augen sind, wie gescheit ihre Kinder, besonders Bernhard, der den Wald gut verstand. Er verschwieg auch nicht, wie er es zugelassen hatte, dass Bernhard sich an ihn drückte, weil er den Kleinen so sehr liebte und Rosa seit diesem Tag nicht mehr gekommen war. Tumaros hatte es gerochen, dass er ihr half, da war er sich sicher und vielleicht sind sie alle schon tot. Dann sei er, Bodo, alleine schuld.
Eschagunde wurde sehr ernst. »Niemand ist schuld an den Taten eines Drachen, Bodo. Wir können nicht wissen, was er plant und wir wollen uns auch nicht zu viel damit beschäftigen. Gewalt hinterlässt immer Opfer, auf jeder Seite. Auch Tumaros wird irgendwann einmal Opfer seiner eigenen Grausamkeit.« Dann lächelte sie Bodo aufmunternd zu. »Du liebst Rosa, das ist gut. Liebe macht stark und findet Wege, wo keine sind. Sei beruhigt. Rosa ist am Leben. Drachen trennen sich nicht von ihrem Besitz. Nichts anderes ist Rosa für ihn. Das heißt aber nicht, dass sie nicht in höchster Not ist. Du hast recht, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«
»Was schlägst du vor, Eschagunde? Gibt es eine Möglichkeit, Rosa zu befreien?« Emilia sah die Waldfee mit großen Augen an.
Eschagunde holte tief Luft. »Ich fürchte, nein.«
Alle blickten sie entgeistert an.
»Heißt das, wir haben so lange auf dich gewartet, um zu hören, dass es keine Hoffnung gibt?« Bodo sprang auf.
»Hoffnung gibt es immer«, sagte Eschagunde, ging ans Fenster und blickte zum einsamen Berg. »Solange man nicht ohne Zweifel sagen kann, dass man verloren ist.«
Bodo schüttelte den Kopf. »Dann werde ich also doch in die Drachenhöhle gehen müssen.«
»Und was willst du da tun? Hineinspazieren, Rosa holen und wieder nach Hause kommen? Gegen den Drachen kämpfen? Entweder würde er dich fressen oder verbrennen, noch bevor der Kampf begonnen hätte. Niemand kann sich der Höhle nähern, ohne dass Tumaros es bemerkt. Drachen haben feine Sinne. Sie riechen, hören, spüren alles um sie herum. Er würde deine Angst fühlen, deinen Herzschlag hören, noch bevor du den Höhleneingang überhaupt sehen kannst. Selbst wenn es dir gelänge, Rosa zu befreien. Was denkst du, passiert? Einem Drachen seinen Besitz nehmen? Er würde das ganze Dorf in Schutt und Asche legen. Niemand würde am Leben bleiben. Und die anderen Dörfer in der Umgebung würde er auch heimsuchen, bis sein Rachedurst gestillt ist.«
Bodo setzte sich wieder hin. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er schaute auf den Boden. »Heißt das, wir können ohne Zweifel sagen, dass Rosa verloren ist?«
Eschagunde setzte sich ebenfalls. »Nein, das heißt es nicht. Es heißt nur, wir brauchen einen guten Plan. Mir ist es in Vollmondnächten mit einem starken Tarnzauber gelungen, unbemerkt in die Drachenhöhle zu sehen. Ich habe Zweifel, ob ich Tumaros in einem Kampf gewachsen bin. Wohl kann ich mit meinem Zauber seinen Feuerstrahl zurückweisen. Aber wie lange? Töten kann ich ihn nicht. Solange der Drache am Leben ist, ist er eine Bedrohung.«
»Aber was schlägst du vor?«, fragte Emilia.
Eschagunde warf Jakob einen Blick zu. »Wir müssen die Zeit für uns spielen lassen, bis sich andere Wege finden.«
»Noch länger warten?«, fragte Bodo.
»Ja und nein. Die Kinder haben Drachenblut. Vielleicht verfügen auch sie über Zauberkraft und es zeigen sich
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