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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
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erleichterte den Weg in die Schule. Jede Woche traten sie ihn an und wurden von Emilia mit Proviant versorgt. Bodo begleitete sie auf dem Rückweg. Bernhard gefiel es, von ihm getragen zu werden. So konnte er den Wald genau betrachten. Bodo war sehr forstkundig, beantwortete geduldig Bernhards Fragen und staunte immer mehr, wie gut der kleine Bär alles verstand.
    »Bodo, hast du schon mal gesehen, dass hier viel zu viele Bäume im Wald stehen?«
    Bodo lachte. »Zu viele Bäume im Wald? Du machst Witze.«
    »Mach ich nicht. Schau doch selbst. Die können gar nicht richtig wachsen, weil das viel zu eng ist. Die Bäume am Rand sind breiter, das sieht man doch.«
    »Aha, und was schlägst du vor?«
    Bernhard zog an Bodos Ohren. »Das kriegt man, wenn man dumme Fragen stellt. Du musst natürlich Bäume herausnehmen, was sonst.«
    »Ja, was sonst, du kleiner Förster«, lachte Bodo und hielt sich die Ohren fest. »Von dir kann ich noch viel lernen.«
    So ging es weiter, jede Woche, den Frühling, den Sommer, bis in den Frühherbst. Die Tage wurden wieder kürzer und reichten nicht mehr für den langen Weg. Als sie sich das letzte Mal Lebewohl sagten, schauten Rosa und Bodo sich lange in die Augen.
    »Versprich mir, dass wir uns wiedersehen«, flüsterte Bodo.
    »Wir sehen uns wieder. Im Frühling«, flüsterte sie zurück und lächelte. »Ganz bestimmt.«
    Der Winter wurde verschlafen. Rosa nutzte die ruhigen Tage, setzte sich neben ihre Quelle und schaute zu ihrem Dorf. Es wollte sie nicht mehr, aber sie hatte Freunde, die an sie dachten. Das ließ sie die Einsamkeit ertragen. Nur Jakob hatte sich nicht mehr gezeigt. Manchmal sah sie ihn von Weitem, aber immer nur kurz. Ihre Gedanken gingen zu Bodo. Er fehlte ihr. Ob Tumaros wirklich nichts bemerkte? Es wäre das erste Mal. Aber es war zu schön, um sich Sorgen zu machen. Er blieb in seiner Ecke liegen und beachtete sie nicht. Wäre er nicht ein Drache, wäre es fast gut so.
    Der Frühling kam, heiß herbeigesehnt von allen, im Dorf und in der Höhle. Erst wenn die Tage länger waren als die Nächte, konnte Rosa den Weg wieder wagen. Und sie kam und brachte die kleine Bärenkolonne ins Dorf. Mischa knurrte und schwieg. Die anderen Bären schauten nur kurz, kümmerten sich nicht um sie, so lange, wie sie ihnen nicht zu nah kamen. Aber Bodo und Emilia waren bereit, gaben ihnen Proviant und Begleitung. Die Wunden an Rosas Körper heilten. Narben blieben zurück. Hier und da wuchs neues Fell, das sogar wieder Glanz bekam und ihre Augen funkelten wie in glücklichen Zeiten.
    »Wenn ich groß bin«, sagte Bernhard zu Bodo, »werde ich ein Bär wie du.«
    »Aber du bist ein Bär wie ich«, antwortete Bodo.
    »Ich meine ein Bär wie du, ohne Drachenblut. Dann wohne ich auch im Dorf. Glaubst du, die blauen Augen gehen weg?«
    »Warum sollen sie weggehen? Sie sind schön.«
    »Nein, sind sie nicht. Sie sind doof. Mein Vater hat blaue Augen.«
    Bodo sah seinen kleinen Freund fest an. »Deine Augen sind schön und sehr besonders. Du darfst dir niemals etwas anderes einreden, hörst du?«
    Die Erde drehte sich weiter. Die Jahreszeiten zogen an ihnen vorbei. Beinahe gewöhnten sie sich an den Drachen. Aber die Narben blieben, die sichtbaren und die unsichtbaren. Die Regeln blieben auch: keine Nähe, keine Worte. Blicke sprachen, erzählten sich Geschichten, voller Sehnsucht, einander zu berühren. Immer wieder kam der Abschiedsschmerz, nur gelindert von der Hoffnung, sich wieder zu sehen. Die Kinder wurden groß, die Schule langsam zu eng.
    »Ich kann deinen Kindern nichts mehr beibringen«, sagte Mischa, der schon im zehnten Jahr Lehrer war, weil keiner aus dem Dorf es mehr machen wollte. »Genau genommen konnte ich ihnen noch nie etwas beibringen. Es gibt nichts, was sie nicht schon wissen.«
    »Schule ist mehr als Wissen«, antwortete Rosa, »sehr viel mehr.«
    Es war mitten im Sommer, als die Tage lang waren. Die Truppe zog fröhlich nach Hause. Bodo winkte ihnen nach. Da kam Bernhard zurückgelaufen, öffnete Bodos Mantel, kuschelte sich dicht an sein Fell und schlang seine Arme fest um seinen Bauch. Bodo drückte ihn an sich.
    »Was macht ihr da?«, fragte Rosa erblassend. Bodo sah sie an. Erschrocken ließen sie einander los.
    »Kommt, wir müssen weiter, schnell.« Rosa nahm Bernhard an die Hand und schaute sich nicht mehr um.
    Als sie die Drachenhöhle erreichten, wartete Tumaros am Eingang auf sie. Rosas Herz wollte aufhören zu schlagen. Langsam gingen sie auf ihn zu. Er

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