Drachentau
Knall prallte er am Panzer ab und fiel zu Boden. Bernhard hielt die Luft an, starrte gebannt auf seinen Drachenvater und erhob sich. Tumaros grunzte. Langsam stand er auf und ging mit gesenktem Kopf zu Bernhard. Qualm stieg aus seinen Nüstern. Er knurrte leise. Dicht vor Bernhard blieb er stehen. Der Bär fühlte den Boden unter sich schwanken. Seine Hände suchten an der Felswand Halt, aber er hielt dem Drachenblick stand. Die Luft knisterte, viele Sekunden lang, dann drehte sich Tumaros um und ging wieder auf seinen Platz. Bernhard sah auf seine Hände, die zu Fäusten geballt waren, öffnete sie und sank auf seine Knie.
»Na, bist du zufrieden, kleiner Bruder? So wird uns wenigstens nicht langweilig, wenn wir Brandwunden verbinden können.« Emil stand neben Bernhard und schaute ihn mit schmalen Augen an.
»Geh‘ du doch und löse deine Rechenaufgaben, die du schon hundertmal gerechnet hast. Vielleicht kommt ja mal ein Käfer vorbei und sieht sie an oder frisst sie auf.« Bernhard erwiderte Emils Blick.
»Du wirst dich wohl niemals ändern, was? Ist es nicht genug, was unsere Mutter aushalten musste?«
»Ist es meine Schuld?« Bernhard bebten die Nasenflügel.
»Finde dich endlich damit ab, dass wir Drachenbären sind, und höre auf, uns allen auf die Nerven zu gehen. Du bist ja schlimmer, als der Drache.«
»Feiglinge finden sich ab«, sagte Bernhard und ballte wieder die Fäuste.
»Hört auf, ihr Streithähne«, mischte Letizia sich ein und zog Bernhard von der Schwelle weg. »Komm Bernhard, hilf mir bei meiner Aufgabe. Mama will sie gleich sehen. Ich kann sie nicht.«
Bernhard warf Emil einen finsteren Blick zu und folgte Letizia an den Tisch. Sie war die Beste im Rechnen. Er schaute auf die richtig gelöste Aufgabe.
Letizia grinste ihn an. »Dir muss man einfach immer aus der Klemme helfen, kleiner Bruder.«
»Muss man das, ja? Gut, dass ich dich habe.«
»Da hast du wirklich Glück.« Sie legte den Arm um Bernhard. »Und gut, dass ich dich habe. Sonst wäre hier noch weniger los.«
Bernhard lachte. Die Streiterei schien vergessen, aber er mied es, Emil anzusehen. Gemeinsam lösten sie die Rechenaufgaben. Bernhard neckte seine Schwester, indem er immer wieder ihr Ergebnis von der Tafel löschte. Letizia drohte ihm mit dem Finger und Bernhard zeigte sich gespielt eingeschüchtert. Sie brachten die fertigen Aufgaben zu Rosa.
»Ihr seid besser als ich im Rechnen«, nickte sie anerkennend. »Ich habe bald keine Aufgaben mehr für euch. Dann könnt ihr euch welche ausdenken und mir geben.«
»Wenn du die dann bloß rechnen kannst«, antwortete Bernhard.
»Ja, wahrscheinlich werde ich sie nicht schaffen.« Lächelnd setzte Rosa sich auf. Sie konnte nur noch wenige Meter mit einem Stock laufen, seit Tumaros ihre Beine gebrochen hatte. Die Schmerzen raubten ihr den Atem, aber sie ließ sich nichts anmerken.
»Wo ist Ella? Ist sie zum Früchtesammeln gegangen?«
»Sie sollte eigentlich schon zurück sein«, antwortete Letizia.
»Oh!« Rosa schaute zum Ausgang. Bernhard ging zur Schwelle. Dann hörten sie Tumaros schnauben und einen langen Schrei. Rosa biss sich auf die Lippen.
Ella kam in die Höhle gerannt. Ihr Rückenfell brannte. Blitzschnell nahm Letizia eine Decke und erstickte das Feuer. Sie legten Ella gemeinsam auf ihr Bett. Letizia kühlte die Wunden mit nassen Stoffstreifen, die sie in ihrem letzten Trinkwasservorrat eintauchte. Ella wandte den Kopf ab, damit man ihre Tränen nicht sah.
Letizia streichelte sanft über ihr Haar. »Geht es, Ella?«
»Ja, geht schon«, log Ella.
»Bist du jetzt zufrieden, Bernhard?«, zischte Emil. »Wenn du den Drachen nicht geärgert hättest, hätte er Ella in Ruhe gelassen. Es ist alles deine Schuld.«
Bernhard nahm eine Holzschüssel, warf sie mit aller Kraft gegen die Wand, legte sich auf sein Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
»War das nötig, Emil?«, sagte Letizia erbost.
»Ist doch wahr«, grummelte Emil und verzog sich ebenfalls in sein Bett. Rosa hinkte zu Ella hinüber und nickte Letizia zu. Diese ging zu Bernhard und kroch mit unter seine Decke.
»Mach dir nichts draus, Bernhard. Ella ist Emils Zwilling. Er erträgt es nicht, wenn sie verletzt wird.«
»Wir ertragen es alle nicht, Letizia. Wie lange soll das so weiter gehen?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht für immer.«
»Niemals für immer. Ich werde einen Weg finden und dann hauen wir ab.«
Letizia seufzte. »Wenn das so einfach wäre. Wie willst du an dem Drachen
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