Drachentau
hinter sich herziehend, kam Bernhard am frühen Nachmittag am Forsthaus an. Die einsame Lage kam ihm gut zupass. Gut gelaunt klopfte er an die Hüttentür. Mit schweren Schritten hörte er den Fürsten näher kommen und ihn gleich darauf freundlich begrüßen. Kaffeeduft und wohlige Wärme empfingen Bernhard und er konnte nicht umhin, sich sofort heimisch zu fühlen.
»Willkommen im Fürstenwald, Herr Förster. Auf gute Zusammenarbeit.« Herzlich schüttelten sie sich die Hände.
»Auf gute Zusammenarbeit«, antwortete Bernhard.
Die Hütte war bescheiden, hatte neben der üblichen Wohnküche mit Kamin und großem Herd nur noch ein Schlafzimmer.
»Wenn du einmal mehr Platz brauchst«, sagte der Fürst mit einem Augenzwinkern, »werden wir die Hütte nach hinten ausbauen. Soviel du willst.«
Bernhard zuckte mit den Schultern. »Ich finde sie genau richtig.«
»Morgen früh kommen deine Waldarbeiter und stellen sich vor. Vier tüchtige Bären, du wirst sehen. Weise sie an, was sie tun sollen.«
»Geht in Ordnung«, antwortete Bernhard.
Der Fürst drückte ihm zum Abschied noch einmal fest die Hand. »Ich glaube, wir werden gut miteinander auskommen. Habe jedenfalls nur Gutes von dir gehört.«
Bernhard ahnte nicht, wer so von ihm hätte reden können. Wer immer es war, wusste bestimmt nichts von seinem Drachenvater. Er biss die Lippen zusammen. Dann musste er halt gut aufpassen, dass es niemand erfährt. Wenn nur seine blauen Augen nicht wären!
»Danke für alles«, sagte Bernhard. »Der Wald wird der schönste im ganzen Land. Sie werden sehen.«
»Was immer du brauchst, lass es mich wissen. Und wenn es Probleme gibt, lass es mich auch wissen. Wir finden eine Lösung.«
Bernhard nickte, froh, dass der Fürst nicht wusste, wer er war. Sollte er es ihm nicht lieber sagen? Nein, dachte Bernhard, dann schickt er mich gleich wieder weg. Mit einem letzten, herzlichen Händedruck verabschiedeten sie sich und Bernhard war allein.
Er sah sich genauer in der Hütte um. Links vom Eingang stand der Herd, über dem allerlei Küchengerät an der Wand hing. Daneben ein Regal mit Tellern, Schüsseln, Bechern und Besteck. Ein großer Esstisch aus Eichenholz stand davor, umringt von sechs Stühlen mit hoher Rückenlehne. Rechts vom Eingang stand ein Kamin mit einer grob gearbeiteten Umrandung aus weiß-grauem Sandstein. Sein prasselndes Feuer erinnerte an Jakobs Hütte. Neben dem Kamin stand ein großer, brauner Ohrensessel mit einem Fußschemel davor. Zwei Türen befanden sich gegenüber der Eingangstür. Eine verbarg eine kleine, mit hohen Regalen bestückte Vorratskammer, hinter der anderen war eine Schlafstube mit Bett und Schrank.
Bernhard atmete tief die aromatische, nach Holz duftende Hüttenluft. Er lauschte. Von draußen drang Vogelzwitschern herein. Bernhard ging vor die Tür und sah sich um. Hinter der Hütte befand sich ein großer Schuppen mit Werkzeug, Säge, Axt, Farbeimer, Pinsel und dergleichen. Alles, was ein Förster brauchte, zudem ein riesiger Stapel Kaminholz.
Bernhard ging zu seinem Handwagen und brachte sein Hab und Gut in die Hütte, sich unwillkürlich duckend, wann immer er die Hütte verließ. Aber kein Grunzen und Fauchen erklang und kein Feuerstrahl schnitt ihm den Weg ab. Von Ferne war das erste Klopfen des Spechtes zu hören, der mit wildem Trommelwirbel um sein Weibchen warb. Bernhard ging mehrmals hintereinander rein und raus, vergewisserte sich, dass ihn niemand hinderte, bis sein Schritt immer leichter wurde. Schließlich hatte er genug, verstaute seinen Handwagen im Schuppen und ging in den Wald. Neben dem Forsthaus führte ein breiter Weg hinein, der direkt aus dem Fürstendorf kam und von allen Bären benutzt wurde. Aber hinter Bernhards Hütte gaben die Bäume einen Trampelpfad frei und den benutzte Bernhard nun.
Er nahm den Wald in Augenschein. Sonnenstrahlen drangen durch das Blätterdach. Im Unterholz blühten die ersten Buschwindröschen. Bernhard ging über den federnden Waldboden. Sein Vorgänger hatte gute Arbeit geleistet. Nur hier und dort standen ein paar Bäume zu dicht. Bernhard markierte sie mit einem roten Kreuz. Gleich morgen würde er seine Waldarbeiter dort hinschicken, um sie zu fällen.
An einen Baum gelehnt sah er sich um. Anderthalb Jahre war es her, dass er der Drachenhöhle entkommen war. Er war schon oft durch einen freien Wald gegangen. Doch der Anblick war immer wieder neu und diesmal war es sein Wald. Die Bäume standen um ihn herum, Birken mit ihren
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