Drachentau
weißen Stämmen, unaufdringlich Halt gebend. Die Luft, die sich leicht atmen ließ, durchströmte seinen Körper. Die Waldeinsamkeit tröstete die geschundene Seele. Er griff seinen Farbeimer und begutachtete sorgfältig die Bäume. Jeder Baum zu viel musste raus, damit die anderen wachsen konnten.
»Das ist ja Arbeit für ein ganzes Jahr.«
Bernhards Waldarbeiter standen vor ihm, vier Bären im mittleren Alter, mit kräftigen Pranken und starken Beinen. Edgar, Manfred, Lothar und Wolfgang hatten sich kurz nach Sonnenaufgang bei ihm vorgestellt. Argwöhnisch betrachteten sie den jungen Förster mit den blauen Augen. Er führte sie in den Wald und zeigte die markierten Bäume.
»Dann werdet ihr halt gleich anfangen müssen«, antwortete Bernhard ungerührt. »Rückt die Baumstämme zum Hauptweg, von dort können die Käufer sie holen.«
»Käufer?«, sagte Wolfgang, »die Baumstämme werden an Dorfbewohner verschenkt, die ihre Hütten vergrößern oder reparieren müssen. So ist es Sitte bei uns.«
»Und so soll es Sitte bleiben«, antwortete Bernhard ruhig. »Dieser Wald hat mehr überschüssige Bäume, als gebraucht werden. Die restlichen werden wir verkaufen.«
»Wie sollen wir so viele Bäume fällen?«, meldete Lothar sich zu Wort.
»So wie immer, einen nach dem anderen.« Bernhard nickte der Gruppe zu und wandte sich zum Gehen. »Ich schau vor dem Abend noch mal vorbei.«
»Was soll‘s«, lenkte Manfred ein, »machen wir uns lieber gleich an die Arbeit. Oder wollt ihr euch von dem Försterküken noch zeigen lassen, wie man Bäume fällt?«
Bernhard zog die Stirn kraus, tat aber, als hätte er es nicht gehört und schritt unbeirrt mit seinem Farbeimer weiter. Er wollte den Tag nutzen, um nach Drachenschäden zu sehen. Tatsächlich, nach circa einer Stunde Marsch durchs Unterholz wurde der Wald immer dichter und es drang kaum noch Licht durch das Blätterdach. Bernhard blieb stehen. Das braune Laub unter seinen Füßen war mit Raureif überzogen. Der Untergrund war sandig, gab unter seinen Füßen nach und zog ihn nach unten.
Schnell machte er einen Satz zurück auf moosigen Untergrund und nahm den schwarzen Sand genauer unter die Lupe. Die Erinnerung stieg in ihm hoch, wie der Boden ihn aufgesogen und beinahe verschlungen hatte. Kein Zweifel, hier waren Turocks am Werk. Bernhard blickte sich um. Der schwarze Sand war nur dort auszumachen, wo wenig Licht hinkam. Er brauchte mutige Männer, die sich trauten hier Bäume zu fällen, langsam vom Rand beginnend, bis alle Nester ausgehoben waren. Schattenwesen fürchten nichts so sehr wie das Licht. So musste es gehen.
Vor Sonnenuntergang kam Bernhard bei seinen Waldarbeitern vorbei. Die saßen auf etwa zehn gefällten Baumstämmen und aßen ihre mitgebrachten Brote.
Bernhard nickte anerkennend. »Ich sehe, ich habe die richtigen Leute für diesen Job.«
»Alles klar, bis morgen«, sagte Edgar stellvertretend für alle und Bernhard ging mit federndem Schritt nach Hause. Er bemerkte nicht die zierliche, blonde Frau mit wehendem, grünen Gewand, weißem Gürtel und einer Krone aus goldenen Birkenblättern, die ihn, zwischen zwei Bäumen verborgen, beobachtete.
So verging die Zeit. Die Waldarbeiter kamen mit dem Baumfällen nicht mehr hinterher und Bernhard stellte vier weitere ein. Die Bären im Fürstendorf vergrößerten ihre Hütten. Einige eröffneten eine Möbeltischlerei. Das Holz des Fürstenwaldes war von besonderer Güte und bald schon über die Grenzen des Landes hinaus begehrt. Von weit her kamen Fürstenbären zum Holzkauf, auf den sie zum Teil lange warten mussten, denn Bernhard achtete darauf, dass nicht zu viel Holz geschlagen wurde. Fürst Heinrich wurde reich mit seinem Wald und auch das Fürstendorf kam zu Wohlstand.
Für die Turock-Nester überlegte Bernhard sich eine besondere Strategie. Er ließ Silberfäden in Wollwesten einweben, die seine Waldarbeiter tragen mussten. So waren sie auch im Dämmerlicht gut sichtbar, näherten sich den Nestern stets zu viert und schlugen die Bäume in einem Ring drum herum. Von dort aus wurden dann alle Bäume gefällt. Das einströmende Licht vertrieb die Unholde. Auf dem schwarzsandigen Boden bildeten sich Humusschichten, bis er wieder gefahrlos begehbar war. Ganz von selbst wuchsen schon nach kurzer Zeit wieder Bäume. Bernhard hängte dort Nistkästen auf und mit dem Licht kam auch wieder Leben in den Wald.
Nach zehn Jahren waren alle Drachenschäden beseitigt, der Fürst reich und das Dorf
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